Nordhessische … Film-Rezension: Osadné

Film-Rezension: Osadné

Abstract

Am Donnerstag wurde beim 27. Kasseler Dokumentarfilm- und Videofest der Film »Osadné« von Marko Škop gezeigt. Die zwei wichtigsten Männer dieses Dorfs am östlichen Rand der EU sehen das langsame Aussterben ihrer 200-Menschen-Siedlung und beschließen, etwas dagegen zu tun: Osadné soll mit Hilfe von EU-Mitteln ein Touristenmagnet werden. Eine mit Nordhessen vergleichende Rezension von Robert Bienert.

Osadné gehört zum Bezirk Snina in der Ostslowakei und liegt damit am östlichen Rand der Europäischen Union. Das Dorf mit rund 200 Einwohnern und keiner einzigen Kuh scheint bei 50 Beerdigungen und 2 Geburten im Jahr 2008 langfristig keine große Zukunft zu haben. Junge Menschen ziehen wegen der Arbeit weg, die Alten sind hauptsächlich Rentner und betreiben Landwirtschaft auschließlich zum Eigenbedarf. Dass es so nicht weitergehen kann, wird dem seit 36 Jahren amtierenden Bürgermeister Ladislav Mikuláško und dem jüngeren Pfarrer Peter Soroka klar. Denn mit der Zukunft des Dorfes ist auch die Zukunft der Minderheit der Russinen verbunden.

Die Idee: Ein Tourismusmagnet mit Hilfe der EU

Die beiden Dorfinstitutionen (ehemals kommunistischer) Bürgermeister und Pfarrer („Don Camillo und Peppone“) beschließen, Osadné für den Tourismus zu öffnen und dem Ort damit eine Zukunft zu geben: Mit Hilfe der EU, der die Slowakei seit 2004 angehört, soll ein spirituelles Zentrum der orthodoxen Kirche errichtet werden. Bis dahin erinnert der Film teilweise an „Henners Traum“, allerdings zeigen sich im Verlauf des Films deutliche Unterschiede in der Professionalität zwischen dem Vorgehen in Osadné und dem in Hofgeismar. Recht schnell knüpfen sie über den PR-Manager des Russinen-Verbandes, Fedor Vico, Kontakte zu den Medien in der Slowakei und machen ihre Idee landesweit bekannt.

Strategisches Lobbying

Hierbei entsteht der nächste Schritt der Strategie: Das Trio nimmt Kontakt zu slowakischen und auch tschechischen EU-Parlamentariern Kontakt auf, um ihr Anliegen vorzutragen. Ihr Landsmann erscheint sogar persönlich bei der Einweihung des „EU-Pfads“, ein Wanderweg durch den Karpatenwald. Nach Brüssel eingeladen sprechen die drei nicht nur bei ihrem Abgeordneten vor, sondern auch dem ersten tschechoslowakischen Kosmonauten Vladimír Remek. Mit kleinen Präsenten aus Osadné und der Einladung zur Hirschjagd empfiehlt sich die Delegation. Die Nachbetrachtung des Brüsselaufenthalts erinnert dabei durchaus an „Don Camillo und Peppone“: Während sich der Bürgermeister Mikuláško nach Aussage des Pfarrers Soroka besser mit dem anderen Kommunisten versteht Remek, der sich zur Jagd einladen lässt, sieht Mikuláško zwischen Soroka und dem naturschützenden Parlamentarier die größere Übereinstimmung.

Die „Klassenfahrt“ endet zwar mit vielen Worten ohne ein konkretes Ergebnis, wird aber sehr schön in Szene gesetzt: Beide Gesandte aus dem Dorf lassen sich vor der Reise von ihren Ehefrauen Essenspakete mitgeben und die Koffer packen. „Wie viele Hemden brauchst du?“

Ein kleiner Schritt für das Dorf …

Überschattet vom Wunsch Sorokas, das Dorf zu verlassen, und einem vermutlichen Herzinfarkts Mikuláškos erhält Osadné Rückendeckung aus Brüssel. Die beiden beschließen daher als Anfang für die Touristen eine Informationstafel aufzustellen. In der Dorfkneipe – einem der Haupthandlungsorte des Films, wird über die Gestalt der Tafelkontrovers diskutiert: Soll es ein Bär als Symbol der Russinen werden? Ein Wolf, der typisch für die Gegend ist? Oder eine „große Adlereule“? Letztlich entscheidet man sich für den Bären, der feierlich mit Glückwünschen von Remek aus Brüssel enthüllt wird. Inwiefern dies die Zukunft von Osadné beeinflusst, lässt der schön gemachte Film allerdings offen. Aber der nordhessische Zuschauer merkt, dass dieses 200-Seelen-Dorf letztlich erfolgreicher als eine 16.000-Seelen-Stadt ist.

Nachwirkungen des Films

In der anschließenden Diskussionsrunde kam noch einmal die Zukunft des aussterbenden Russinendorfs in den Karpaten zur Sprache. Der Dokumentarfilm hat, wie die Moderatorin erläutert, bereits in der Slowakei große Wellen geschlagen und es kämen tatsächlich viele Touristen in den Ort – teilweise mehr, als es Beherbergungsmöglichkeiten gäbe. Auch seien mittlerweile Gelder der orthodoxen Kirche zum Bau des spirituellen Zentrums bewilligt.