Nordhessische … Analyse der Hochschulwahl: „Geld schießt doch Tore“

Analyse der Hochschulwahl: „Geld schießt doch Tore“

Abstract

„Kassels Unabhängige Studierende“ (KUS) haben zwar mit massivem Aufwand die meisten Sitze als Einzelfraktion geholt, werden aber an der Universität Kassel nicht so gestalten können, wie sie vielleicht möchten. Vielmehr deutet sich eine Fortführung der bisherigen AStA-Koalition mit Unterstützung der anderen Listen an. Stabilisiert hat sich auch die Wahlbeteiligung. Eine Analyse von Robert Bienert.

Plakate, Flyer, Mandarinen …

Nach dem vorläufigen Ergebnis der Hochschulwahl 2011 an der Universität Kassel hat sich der massive Aufwand, den die KUS im Wahlkampf betrieb, zumindest teilweise ausgezahlt. Die Liste konnte aus dem Stand die meisten Sitze als Einzelfraktion im Studierendenparlament (StuPa) holen. Vorausgegangen war dabei ein Wahlkampf, den der Campus der Uni Kassel wohl schon seit Jahren nicht mehr erlebt hat. Unmengen an Plakaten, Flyern und Mandarinen standen die anderen Listen materialmäßig fast hilflos gegenüber. Diese Materialschlacht dürfte auch der Grund für den Erfolg der KUS sein. Zugute kam ihr dabei die Erfahrung des Listenführers als Veranstalter von Uni-Parties.

… aber kaum Inhalte …

Inhaltlich konnte die KUS den anderen Listen allerdings nicht ansatzweise das Wasser reichen. Die wenigen Programmpunkte tauchen in ähnlicher Art auch in den Programmen von „Jusos“, „Grünen“, „Piraten“ und RCDS auf. Die Diskussionen bei der Wahl-Vollversammlung zeigten allerdings, dass andere Hochschulgruppen nicht nur Programmpunkte, sondern auch Ideen zur Gestaltung haben und daher zum Beispiel auch für einen Senatssitz kandidierten – was bei der KUS fast vollkommen fehlt. Nach der Vollversammlung wusste der interessierte Studierende, wofür die meisten Listen stehen, nur nicht, was die KUS tatsächlich verkauft. Ähnlich blass blieben auch die Linken. Das Argument der KUS, ihre Inhalte seien bewusst vage um Raum für Vorschläge der Studierenden zu lassen, muss sich erst noch im rauen Alltag der nicht minder rauen Hochschulpolitik beweisen. Dass eine rein studentische Liste durchaus mitgestalten kann, hatte „Die Neue Liste“ seinerzeit zeigen können – und zwar mit Ideen.

… und keine Koalitionspartner

Da der Wahlkampf der KUS größtenteils zu Lasten der bisherigen Listen ging, fehlen ihr nun die Koalitionspartner. Auch rein rechnerisch geht 2011 in der Kasseler Hochschulpolitik nichts ohne zwei der drei großen Fraktionen im StuPa, KUS, Jusos und Grüne, da die kleineren Listen nur jeweils einen Sitz erringen konnten. Weder Jusos noch Grüne werden wohl als Juniopartner eine Koalition mit einer inhaltlichen blassen Liste eingehen, bei der die Gefahr besteht, schnell unter die Räder zu kommen. Dafür sind sowohl Jusos als auch Grüne zu sehr „Politprofis“, als sich einen unberechenbaren Partner ins Boot zu holen. Aus diesem Grund dürften auch Piraten und die Linke.SDS 2011 keine große Rolle spielen. Nur im Senat könnte es durchaus zum Zusammenrücken von Jusos, Grünen und Piraten kommen, um in diesem Gremium der studentischen Stimme überhaupt ein kleines Gewicht zu geben.

Wahlergebnis trotzdem auch „Denkzettel“

Der Erfolg der KUS zeigt den etablierten Listen allerdings offene Baustellen in der Kasseler Hochschulpolitik auf. Es ist nicht so, dass zu wenig für die Kommilitonen getan würde, nur an der Öffentlichkeit dafür fehlt es häufig. Die Hochschulpolitik ist auf dem Campus nur wenig präsent, konkrete Ergebnisse wie beispielsweise die Ausweitung des Semestertickets brauchen Zeit, bis sie sich herumgesprochen habe. Die Frage ist allerdings berechtigt und noch nicht beantwortet, wie man mehr Studierende in Entscheidungsprozesse einbinden kann. Das spiegelt sich auch in der Wahlbeteiligung nieder, die sich in den letzten zwei Jahren auf rund 26 Prozent stabilisiert hat – bei steigender Studierendenzahl.

Trotzdem gehören gerade die beiden bisherigen AStA-Fraktionen nicht zu den klaren Wahlverlierern, sondern einige Oppositionslisten. Der RCDS dürfte für seine Contra-Position abgestraft worden sein, auch fehlt dieser einzigen nicht-linken Liste überhaupt Partner zur Gestaltung in der Hochschulpolitik. Das manifestierte sich in lediglich drei Kandidaten für das StuPa. Bei Linke.SDS und RAL/BaLi kann nur über den drastischen Einbruch des Wählerzuspruchs spekuliert werden, da beide Listen über einen gewissen Anteil an Stammwählern verfügen. Vielleicht haben beide Listen den „Denkzettel“ für ihre bisherige Arbeit, oder was man als solche bezeichnen könnte, erhalten. Dass zwischen beiden Listen das Los wegen Stimmgleichheit entschied, offenbart zudem ein demokratisches Problem in den Verordnungen über die Gremien an der Uni Kassel. Den Piraten erging es bei dieser Wahl so, wie es auch das Schicksal der KUS nächstes Jahr sein könnte: Ambitioniert gestartet und dann schnell mit der harten Realität der Parlamentsarbeit konfrontiert. Schlimmer als selbst die Unmöglichkeit des eigenen Programms festzustellen ist allerdings, wenn der Wähler dies bemerkt. Und der „Ring PARTEI-treuer Studierender/Die PARTEI“ (RPTS) hat zwar mit 64 Stimmen den Einzug ins StuPa knapp verpasst, dürfte aber das beste Wahlergebnis seit Gründung der Hochschule eingefahren haben.

Prognose: Eine „Koalition der Willigen“ mit geschlossenen Reihen

Zum jetzigen Zeitpunkt deutet vieles auf eine Fortführung der rot-grünen AStA-Koalition hin. Beide Listen wollen weiterhin an der Universität aktiv gestalten und haben auch „Spaß“ dabei, so AStA-Vorsitzender Oliver Schmolinski auf der Wahl-Vollversammlung. Angesichts der hauchdünnen Mehrheit von nur 13 der 25 Sitzen im StuPa werden sie einige der kleineren Listen in ihre Arbeit einbeziehen, wobei „Witzenhausen“ noch der verlässlichste Partner sein dürfte. „Wechselnde Mehrheiten“ sind je nach Thema auch mit den Piraten, den Linken und dem RCDS denkbar. Insgesamt werden die bisherigen Fraktionen ihre Reihen schließen und eine „Koalition der Gestaltungswilligen“ bilden, um der KUS keine Fläche zu bieten. Und die KUS wird sehr schnell merken, dass Hochschulpolitik keine Uni-Party ist, sondern harte Arbeit, dass Fakten und Form zählen statt abgekürzter Wege.

Der Autor war zwei Jahre für die Juso-Hochschulgruppe im Studierendenparlament der Universität Kassel aktiv.