Nordhessische … SPD: 25 Prozent sind noch zu viel

SPD: 25 Prozent sind noch zu viel

Abstract

Als sozialer Demokrat hat man es nicht leicht in Deutschland, dass die eigenen Interessen politisch vertreten werden. Es gibt zwar eine Partei ähnlichen Namens, die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), aber es ist die einzige Partei, die nicht Klientelpolitik macht, sondern das genau Gegenteil davon. Umso erstaunlicher ist es daher, dass diese Partei in Umfrage zur Bundestagswahl im Herbst auf immer noch 25 Prozent kommt.

Die „Gerechtigkeit“ der SPD

Einer der Slogans für den Bundestagswahlkampf lautet Gerechtigkeit und klingt an sich auch sehr sozialdemokratisch. Doch was versteht diese SPD unter Gerechtigkeit? Die SPD hat in Regierungsverantwortung die u. a. als „Hartz 4“ bezeichnete Arbeitsmarktreform auf den Weg gebracht, sie hat maßgeblich die Rente privatisiert, was nichts Anderes als eine Rentenkürzung zu Gunsten der Finanzbranche ist, sie trägt artig jedes Gesetz zur Einschränkung der persönlichen Freiheit mit, sie kann den Koalitionsvertrag bei der Ehe für alle nicht durchsetzen, …

geschmückte Straßenlaterne in der Münchener Maximilianstraße
Eine der teuersten Einkaufsstraßen in Deutschland: Die Maximilianstraße in München. Ob hier die Klientel der SPD einkauft? Oder ob diese Klientel die Gerechtigkeit der SPD repräsentiert?

Europas größter Niedriglohnsektor

Das Ziel der Arbeitsmarktreformen der SPD-geführten Bundesregierung von Gerhard Schröder war die Schaffung des größten Niedriglohnsektors in Europa. Zumindest das ist der SPD gelungen, die Reallöhne stagnieren in vielen Bereichen seit Jahren, weshalb die Binnennachfrage so niedrig ist. Ein Baustein dabei sind die massive Ausweitung von Zeitarbeit und Arbeitnehmerüberlassung. Das führt dazu, dass es in Betrieben teilweise drei verschiedene Statusgruppen gibt, mit unterschiedlichem Lohn und unterschiedlichen Rechten. Das SPD-geführte Arbeitsministerium hat zwar eine Neuregelung der Zeitarbeit auf den Weg gebracht, aber das Gesetz soll so ausgestaltet sein, dass praktisch keine Arbeitnehmer darunter fallen.

Privatisierung der Rente

Die Anstalt hat diese im April 2017 gut erläutert. Mit dem euphemistischen „Betriebsrentenstärkungsgesetz“ geht die Partei den nächsten Schritt zur Schwächung der staatlichen Rente und Stärkung der Privatwirtschaft: Die Arbeitnehmer dürfen einen Teil ihres Lohnes in eine Rente ohne Garantien einzahlen. Während bei der so genannten Riester-Rente zumindest das eingezahlte Geld sicher ist und die Garantierendite vergleichbar damit ist sein Geld unterdem Kopfkissen zu parken, heißt es bei der „gestärkten Betriebsrente“ nun pay and forget – „vergiss dein Geld, du bekommst es nicht wieder.“

Eingang des ehemaligen Bahnhofs München-Olympiastadion
Stand – wie die SPD – in den 1970ern noch für etwas, der Bahnhof München-Olympiastadion. Mittlerweile sind nur noch langsam verfallende Reste vorhanden – wie das sozialdemokratische in der SPD.

Ehe für alle

Die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften steht im Koalitionsvertrag der aktuellen SPD/CDU/CSU-Bundesregierung, doch ist bislang nicht viel passiert. Nachdem das Thema vor Kurzem wieder einmal vertagt worden ist und damit diese Legislaturperiode wohl nicht mehr aufs Programm kommt, schrieb der Kabarettist Markus Barth bei Facebook an die Adresse des SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz u. a.:

Sie hätten mit den Stimmen der Linken und der Grünen gerade die einmalige Chance, die Öffnung der Ehe für Schwule und Lesben auch gegen den Willen der CDU/CSU durchzusetzen. Und Sie wissen vermutlich genauso gut wie ich (und wie die allermeisten Unions-Abgeordneten), dass es auch nicht einen guten Grund gegen diesen Schritt gibt.

Mit Verweis auf den Koalitionsvertrag folgert Barth:

Für mich heißt das, Sie können nicht nur Politik gegen die Union machen – Sie müssen es laut Vertrag sogar! Mal ganz davon abgesehen, dass man immer […] Politik gegen seinen Koalitionspartner machen darf, wenn er darauf besteht, Menschen ungleich und ungerecht zu behandeln.

Die Frage nach der Gerechtigkeit liegt hier tatsächlich auf der Zunge – doch die SPD schweigt dazu und meint im Wahlkampf wohl weiterhin eine andere Gerechtigkeit.

Eine Rose am Schloss Braunfels an der Lahn
Ein romantischer Ort für Hochzeitsfeiern: Das Schloss Braunfels an der Lahn.

Auf Nummer Sicher

Restriktionen und Kriminalisierung im Internet sind für die SPD nichts Neues. Bereits in der ersten Großen Koalition des 21. Jahrhunderts waren die Sozialdemokraten mit Internetsperren ganz vorne mit dabei. Für die aktuelle Regierung hat Bundesjustizminister Heiko Maas das so genannte „Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG)“ vorbereitet. Es soll so genannte „Hassrede“ in sozialen Netzen bestrafen helfen – indem das juristische Abwägen zwischen strafrechtlich relevanten Inhalten und der grundrechtlich garantierten Meinungsfreiheit per Strafandrohung an die Plattformbetreiber ausgelagert wird. Dass dieses Abwägen keine Arbeit für die Moderatoren sozialer Netze ist, zeigt jede gerichtliche Auseinandersetzung über die Grenzen der Satire. Wenn es Heiko Maas ernst meint, müsste er die Strafverfolgungsbehörden sowie die Justiz personell besser ausstatten, anstatt mal wieder das Damoklesschwert über der Meinungsfreiheit kreisen zu lassen.

Da verwundert es kaum, dass es auch das Thema Bundestrojaner wieder auf die Agenda geschafft hat. Dieses Mal sollen allerdings deutlich mehr Straftaten den Einsatz begründen – auf viel mehr Endgeräten. Was mit dieser Datenmenge geschehen soll, wer das also alles dann wirklich auswertet, steht nicht im Gesetzesentwurf. Dabei zeigen die spektakulären Taten der letzten Zeit, dass es weder an Technik noch an Daten mangelt, sondern an der Durchsetzung.

Überwachungsinfrastruktur auf dem Dach der Grimm-Welt in Kassel
Fast eine Überwachungsdystopie, tatsächlich allerdings nur eine Kamera und ein Aufzug auf dem Dach der Grimm-Welt in Kassel.

„Immer auf die Kleinen“

Während das Leistungsschutzrecht für Presseverleger noch auf die Vorgängerregierung zurückgeht, steht mit der Urheberrechtsreform bereits das nächste Gesetz in den Startlöchern, welches zu einer Marktkonzentration führen kann. Beim Leistungsschutzrecht für Presseverleger kam es irgendwann zu einer pauschalen unentgeltlichen Regelung zwischen den großen Zeitungsverlagen in Deutschland und dem Suchmaschinenprimus Google. Kleine, unabhängige Zeitungen sind damit bei Google aus dem Spiel, genauso wie kleine Suchmaschinen nicht mehr an die Inhalte der großen Presseverleger kommen. Damit wurde hauptsächlich die Marktmacht von Google zementiert.

Mit der nun geplanten Änderung des Urheberrechts für gedruckte Werke steht etwas Ähnliches auf dem Plan. Die pauschale Vergütung von Fachliteratur anstelle des Erwerbs der Bücher ist für Bibliotheken hoch attraktiv, für Verlage nachteilig bis schädlich. Natürlich gibt es Großverlage, die einen Topumsatz mit Fachliteratur (Bücher, wissenschaftliche Zeitschriften) erwirtschaften, aber es gibt auch spezialisierte Kleinverlage. Während die einen einfach das Geld an anderer Stelle hereinholen können, haben Kleinverlage diese Möglichkeit oft nicht. Wenn es der SPD wirklich um eine faire Regelung ginge, müsste sie die Marktkonzentration der Großverlage angreifen und z. B. so Dinge wie Open Access vorantreiben. Davon ist in der Urheberrechtsreform allerdings keine Rede.

Das documenta 13 Kunstwerk »Momentary Monument IV« von Lara Favaretto
Wird wohl eher die Befürworter der Urheberrechtsnovelle bestätigen: Auch Schrott kann urheberrechtlich geschützt sein, so wie hier das Momentary Monument IV von Lara Favaretto bei der documenta 13.

Das Gegenteil von Klientelpolitik

Allein diese wenigen Beispiele zeigen, wie weit die SPD von tatsächlicher Klientelpolitik entfernt ist – im Grunde macht sie größtenteils Politik gegen ihr eigenes Klientel. So etwas kann eine politische Partei auf Dauer nicht aushalten. Daher ist SPD mittlerweile auch ein gutes Stück von einer Volkspartei entfernt. Umso erstaunlicher sind die immer noch 25 Prozent Zustimmung in Umfragen, denn die Profiteure der aktuellen SPD-Politik werden wohl eher „die Originale“ in Form von CDU/CSU oder FDP wählen. So etwas wie die Privatisierung der Autobahnen bekäme „Schwarz-Gelb“ auch hin.

Vor acht Jahren hieß es hier noch, Die SPD ist systemrelevant. Dieses Urteil teilt der Autor mittlerweile nicht mehr. Das Fazit seinerzeit hat zwar immer noch Gültigkeit, allerdings bestehen Zweifel daran, dass es auch „der alten Dame SPD“ bewusst wird:

[…] dass sozialdemokratischen Denken und Handeln auch weiterhin bei den Menschen vorhanden, nur nicht mehr mit der SPD verbunden sind. Und das ist genau der Knackpunkt an „den Sozen“: Sie machen Politik gegen das Volk […] – und wundern sich, dass sie keiner mehr wählt […] Es liegt nicht daran, dass die Inhalte falsch vermittelt werden oder am Wahlsonntag die Sonne scheint, es liegt an den Inhalten und den Köpfen, die sie vertreten. Eine Partei, die sich als Fortschrittspartei versteht, darf Kritik einer fortschrittlichen Generation nicht ignorieren, […]

Wenn sich die SPD wieder auf die Sozialdemokratie besinnt und diese glaubwürdig vertritt, nicht mehr gegen die Basis und das Volk regiert, die jüngeren Generationen ins Boot holt, hat sie eine Chance.