Nordhessische … Hanau

Abstract

Am Donnerstag Abend fand auch auf dem Mannheimer Marktplatz eine Mahnwache für die Opfer des Anschlags in Hanau statt. Beim Verharren und Gedenken vor dem großen Herzen aus Kerzen, das vor einem Denkmal ausgelegt worden war, wird man nachdenklich.

Lichterketten

Der erste Gedanke, der vielleicht aus dem Gedächtnis abgerufen wird, ist die Teilnahme an einer Lichterkette anno 1992, nachdem es im gerade wiedervereinigten Deutschland eine Reihe von neonazistischen Anschlägen und Ausschreitungen gegeben hatte (siehe auch). In Kassel fand eine Lichterkette entlang der Wilhelmshöher Allee statt und der Autor stand dort als Kind mit einer Fackel in der Hand; er hatte aus der tagesschau von Rostock-Lichtenhagen (der Artikel enthält weiter unten interessante Folgerungen), Mölln und später dann noch von Solingen erfahren und erinnert sich an die sinngemäßen Worte des damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker, dass „zehn Neonazis einhundert Polizisten, einhundert Neonazis eintausend Polizisten entgegengestellt werden müssen“. Die demokratische Zivilgesellschaft schaffte dieses Verhältnis von 1:10 bei den Wahlen, die rechtsextremen Parteien konnten damals zum Glück nie wirklich Land gewinnen.

Erregungsfolklore

2020 sieht die bundesdeutsche Welt anders aus: Mit der AfD sitzt eine zu großten Teilen rechtsextreme Partei in sämtlichen Landtagen sowie im Bundestag. Und während man sich immer noch über die Merkwürdigkeiten des NSU-Prozesses wundert, erschießt ein nordhessischer Neonazi den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke – und die Konservative bleibt erstaunlich still.

Dabei hätte man doch durchaus mit der übliche Sicherheitsfolklore gerechnet: Rufe nach Gesetzesverschärftungen, mehr Befugnisse für Sicherheitsbehörden und Geheimdienste, mehr Überwachung. Das kommt jetzt nach Hanau wieder auf den Tisch. Und offenbart die hilflose Ohnmacht der (Sicherheits-) Politik, dass es absolute Sicherheit in einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft nicht geben kann und die bisherigen Überwachungsapparate nur Sicherheitsplacebos sind. Aber anstatt dies zu erkennen und auf die Placebos zu verzichten, herrscht der Glaube vor, dass die Wirkung eintritt, wenn doch nur die Dosis groß genug ist. Das ist bei Placebos Unfug, daher hat Fefe vollkommen Recht und wir sollten auf die ganze unwirksame Folklore verzichten.