Film-Rezensionen vom „Technik-Tag“: Plug&Pray und Hacker
Abstract
Das Dokfest-Filmprogramm am Freitag stand teilweise unter dem Motto „Technik“: In Jens Schanzes Dokumentarfilm »Plug&Pray« wird sehr schön der Unterschied zwischen Realität und Vision in Bezug auf künstliche Intelligenz und menschenähnliche Roboter beleuchtet – inklusive der Diskussion über die Verantwortung des Technikers. Im Spätprogramm porträtierte Alexander Biedermann Dokumentation »Hacker« ebensolche Menschen aus der Frühzeit des Chaos Computer Clubs sowie von heute. Eine Rezension von Robert Bienert.
»Plug&Pray« – Einstecken und Beten
Künstliche Intelligenz (KI) interessiert nicht nur Programmierer von Computerspielen, sondern auch Erfinder von menschenähnlichen Robotern. Einige dieser Visionäre gehen sogar soweit, von der Schaffung „menschlicher Roboter“ zu träumen und sie beispielsweise in der Altenbetreuung einzusetzen. Hiroshi Ishiguro, der zur Zeit in einem Technology-Review-Artikel über „den Freund Roboter“ zur Sprache kommt, sieht „menschliche Roboter“ durchaus als Ersatz für den Menschen an: Wenn er auf Konferenzen unterwegs sei, könne der Roboter ihn zu Hause ersetzen und mit den Kindern spielen. Er lässt allerdings offen, ob der Roboter ihn auch im Ehebett ersetzen könne und dürfe.
Verantwortung bei der Entwicklung neuer Technologien
Neben etlichen Fürsprechern für „intelligente Roboter“ wie von der Universität Genua oder Raymond Kurzweil kommt als prominentem Kritiker der mittlerweile verstorbene Informatiker Joseph Weizenbaum mit guten Argumenten gegen KI und blinde Technikgläubigkeit zu Wort. Er stellt der technischen Ebene der Roboterentwicklung sehr geschickt die menschliche und emotionale Ebene der Persönlichkeit gegenüber: „Ein Robotermädchen hatte keine Kindheit, sie hat keine Geschichte.“ Daneben zeigt der Dokumentarfilm an Hand vieler Beispiele aus den Laboren der Techniker oder von Feldversuchen den Unterschied zwischen Anspruch und Wirklichkeit heutiger Maschinen. Trotz ausgefeiltem Aussehen wie Ishiguros Doppelgänger klemmt es immer wieder bei der Vorführung der Roboter – und von menschlichem Verhalten sind diese noch sehr weit entfernt, sofern kein Mensch im Hintergrund die Maschine kontrolliert.
Interessanterweise sind es zwei Studenten der Bundeswehr-Hochschule sowie zwei japanische Studenten, die sich wirklich Gedanken über Konsequenzen des Handelns von Roboter machen: „Wer haftet, falls ein Roboter[fahrzeug] einen Menschen schädigt? Dafür gibt es noch keine Gesetze.“ Auch kann jede Entwicklung in diesem Bereich militärisch verwendet werden – die Rüstungsindustrie ist größter Förderung der Forschung – d. h. zum Töten von Menschen. Diese Fragen der Ethik sowie in Bezug auf den Umgang Mensch-Maschine scheinen für etliche KI-Fans kaum eine Rolle zu spielen, sind aber wichtig für den Einsatz und die Akzeptanz von Robotern im Alltag. Fast wünscht sich der Zuschauer daher, dass die Versuche noch länger in den Kinderschuhen bleiben.
Webseite von »Plug&Pray« (externer Link) mit weiteren Informationen über den Dokumentarfilm
»Hacker« –weiße, graue, schwarze und schlappe Hüte
Trotz der späten Stunde am Freitag um kurz vor Mitternacht und dem durchaus speziellen Thema war der Filmladen ausverkauft. Und das Publikum, das etwas über Hacker erfahren wollte, waren nicht nur Computerspezialisten, männlich, etwas korpulent, mit Tendenz zur Fachsimpelei, sondern sehr bunt und auch weiblich. Weibliche Hacker, so genannte „Haecksen“, tauchen in dem Dokumentarfilmporträt über fünf deutsche Hacker allerdings nicht auf. Regisseur Alexander Biedermann erklärte dazu in der Diskussionsrunde, dass er bei seinen Recherchen nur auf sehr wenig Hackerinnen gestoßen sei und diese keine neue Schattierung in den Film gebracht hätten. Ihm sei bei der vierjährigen Arbeit am Film und der Auswahl der Personen die Vielfalt der Hackerszene wichtig gewesen. Dabei habe die Recherche einen großen Teil der Arbeit an einer „Erforschung der Hackerkultur“ ausgemacht.
Gegenstand der Dokumentation sind fünf Hacker: Zwei Veteranen aus der Anfangszeit des Chaos Computer Clubs (CCC), ein Sicherheitsexperte sowie zwei Nachwuchshacker aus der Viren-Untergrundszene (VX). Jeder von ihnen, unabhängig von der persönlichen Einstellung ob white (Freude am Gerät, Hacking als Forschung und aus moralischen Gründen), gray (teils white, teils black) oder black hat (Hacking zum Schaden anderer), hat dabei schon Erfahrungen mit Ermittlungsbehörden machen müssen. Gründe dafür sind nicht nur das Entwickeln oder Verbreiten von Schadsoftware (Viren, Trojaner, Würmer) wie beim Nachwuchs, sondern auch das Eindringen in fremde Computersysteme. Die krassesten Beispiele sind dabei Steffen Wernéry, der wegen angeblicher Wirtschaftsspionage zwei Monate im französischen Gefängnis saß, und Marko Rogge, gegen den auf Grund des so genannten „Hackerpararafen“ § 202c StGB ermittelt wurde, weil er eine Sicherheitslücke im Nezt einer Firma entdeckt hatte. Die Konsequenz von Wernéry aus dem zwangsweisen Kontakt mit den Ermittlungsbehörden: Keine Dokumentation des eigenen Lebens um sich und andere zu schützen sowie die Flucht in den Untergrund – er ist ehrenamtlicher Luftschutzwart.
Zwischen Hackerethik und Kräftemessen
Thematisch zu »Plug&Pray« passend spielt auch in »Hacker« die Ethik eine große Rolle. Für Hacker aus dem CCC-Umfeld ist diese in Form der „Hackerbibel“ manifestiert. Es zeigt allerdings auch, dass Hacken nicht nur Ehtik oder Spaß am Gerät ist, sondern oftmals auch digitales Kräftemessen – wer programmiert den ausgefallensten Virus oder wer schafft es, Viren zu schreiben, die auf jedem Rechner laufen? Um sich und das eigene Handwerk darzustellen, fallen alle fünf Protagonisten als „Medienprofis“, so Regisseur Biedermann, auf, hinter deren Fassade auch er nicht immer schauen konnte. Während der Zuschauer also intelligente Menschen mit überraschenden Facetten zu sehen bekommt, sieht er aber auch Menschen, die ihr privates Umfeld sehr genau schützen. Auch haben sie alle ihr Hobby zum Beruf gemacht: Hacken.
Webseite von »Hacker« (externer Link) mit weiteren Informationen über den Dokumentarfilm