Film-Rezension: Der letzte Remix
Abstract
In der Spätvorstellung am Samstag Abend wurde im Filmladen die Dokumentation Der letzte Remix von Olaf Held gezeigt. In dem Film wird das Urheberrecht in der modernen „Remix-Gesellschaft“ thematisiert, indem verschiedene Seiten vom Künstler bis zum Remixer zur Sprache kommen. Quintessenz des Films ist dabei, dass das Urheberrecht für die „Produktion“ von Kunst nicht mehr zur Digitalisierung mit der Möglichkeit der unbegrenzten Kopie ohne Qualitätsverlust passt.
Happy Birthday to You
„Aufhänger“ des Films war für den Regisseur das Geburtstagsständchen Happy Birthday to You
, für welches Warner Music bis September 2015 Lizenzgebühren verlangen konnte. Beim Drehen stieß Held zudem auf eine „musikalische Wand des Schweigens“, da trotz Lizensierung von Filmmusik etliche Plattenfirmen die Musikrechte für den Film wieder zurückgezogen haben, nachdem sie vom Theme der Dokumentation erfahren hatten. Held bezeichnet daher seinen Film auch als „Remix“, da er mit der nun fehlenden Musik kreativ umgeht.
Remix-Kultur: Vom reinen Konsumenten zum Produzenten
Mit der Digitalisierung und dem Aufkommen kostengünstiger Unterhaltungselektronik bzw. Software kann selbst „Otto Normal“ professionelle Werkzeuge zum Remixen nutzen: Musikaufnahme und -bearbeitung, Videodreh und -schnitt, Zeichnen und Kollagen. Zuvor gab es jahrzehntelang Produzenten auf der einen und Konsumenten auf der anderen Seite, heute ist mit dem Remix beides möglich, es gibt Prosumenten. Wobei David Wessel (Mashup Germany) zu Recht anmerkt, wenn ich auf dem Klavier spiele, habe ich das Klavier auch nicht selbst gebaut.
Es wurde also in den meisten Fällen auch schon vor der Digitalisierung auf der Kunst anderer aufgebaut.
Marktversagen
Der Unterschied zu früher ist allerdings, dass mit der Digitalisierung von Kunst die Verknappung aufgehoben ist. Damit sich diese als Produkt verkaufen lassen kann, muss das Gut knapp sein, was durch Kopieren aber nicht mehr der Fall ist. Bislang sorgt dabei das Urheberrecht für die künstliche Verknappung der Kunst. Wie der Anwalt Till Kreutzer erläutert, hat das Urheberrecht den historischen Hintergrund, den Verlegern die Monetarisierung von Werken (früher hauptsächlich Bücher) entlang von „Produktionsketten“ zu sichern.
Eine Herausforderung für das klassische Urheberrecht ist dabei die Remix-Kultur als Kunst mit geringem finanziellen Aufwand und ohne Gewinnerzielungsabsicht. Rein rechtlich ist dies mit geschützten Werken bislang kaum möglich, weshalb sich bspw. um Creative Commons (CC) ein ganzes Paralleluniversum freier Kunst entwickelt hat. Wie im Film und der anschließenden Diskussion allerdings noch klar wird, steht dieser fundamentale Ansatz ein wenig dem Remixen der Popkultur entgegen, da CC als tendenziell Underground keine Popkultur ist.
Wie der Künstler Jan Kummer erläutert benötigt hingegen der Umgang mit geschützten Werken eigentlich eine künstlerische Rechtsberatung. Als Beispiel verweist er auf eine Comicfigur, deren Inspiration von einem älteren Bild stammt und parallel noch anderweitig Inspiration stiftete. Im Zweifelsfall hätte diese Angelegenheit bezüglich „prior art“ und Schöpfungshöhe vor Gericht geklärt werden müssen.
Freiheit
Ein Problem einer Remix-Kultur wird im Film mehrfach von Künstlern thematisiert, z. B. der Professorin Cornelia Sollfrank: Die künstlerische Freiheit des Urhebers steht im Grunde der des Remixers entgegen. Auch wenn dies im Falle des Films von Plattenfirmen ausgeht, so betrifft es doch auch die Arbeit von Olaf Held. Als weiteres Beispiel nennt der Mashup-Künstler Wessel den Umgang von Rundfunksendern mit seinen Werken:
Schülerradios fragen immer brav, ob sie meine Titel spielen dürfen, große Stationen übernehmen das ungefragt.
Wie man mit der Problematik der künstlerischen Freiheit umgeht, lässt der Film offen, da es auch keine allgemeingültige Antwort gibt. Einer der Remix- bzw. Mashup-Künstler vertritt im Film dazu die Extremmeinung:
Amateure aller Länder sendet, was das Zeug hält! Das ist doch die Idee von freier Meinungsäußerung.
Auf dem Heimweg nach dem Kino wurde dann noch bewusst, dass aus diesem Grund das Remixen letztlich zu einer Demokratisierung von Kunst führt.
Fazit
Der letzte Remix von Olaf Held ist in meinen Augen ein sehr wichtiger Film, der die Fallstricke im Umgang mit einem für die moderne Popkultur ungeeigneten Urheberrecht aufzeigt. Kunst und Kultur sind hier bereits „im 21. Jahrhundert“ angekommen, während das Recht noch „im 20. Jahrhundert“ feststeckt. Gut auf den Punkt bringt dies der Komponist Johannes Kreidler mit seiner Aktion Product Placements, in der er bei der GEMA ein Musikstück mit über 70 000 Samples anmeldet. Nach der Weltpremiere auf dem 32. Kasseler Dokfest ist Held mit dem Film auf Festivaltour unterwegs und es ist geplant, dass der Film nächstes Jahr auch in der ZDF-Mediathek zu finden sein wird. Ich hoffe, dass er dort sein Publikum erreicht!