Dokfest: Ansichtssache
Abstract
Am Samstag Nachmittag wurde beim Dokfest im Bali das Kurzfilmprogramm Ansichtssache gezeigt. Der Beschreibung nach sollte in diesem Programm ein subjektiver Standpunkt eingenommen und dem Publikum vermittelt werden. Der Autor hat zu den Kurzfilmen ebenfalls einen subjektiven Standpunkt eingenommen.
7 Weltpremieren bei 8 Nominierungen
Von den acht Filmen in diesem Screening waren laut Katalog sieben Weltpremieren, zumal hauptsächlich von jungen Regisseuren, dem entsprechend frisch, aber auch fragwürdig wurde so mancher Film empfunden. Allen Filmen gemeinsam ist die Nominierung für den Goldenen Herkules.
Ansichten
Der Namensgeber des Screenings ist eine Dokumentation von Rita Scherer und Tina Schönfelder über die Flüchtlingsunterkunft in Fuldatal-Ihringshausen und die Gruppe Change Ihringshausen. Im Film werden jeweils als Gegensatz die Ansprüche von Wohnen und Leben zweier Off-Sprecher mit der Wohnsituation in der Flüchtlingsunterkunft verglichen. Schnell zeigt sich dabei, dass – wie auch im Zeltlager Calden zu beobachten bzw. erfahren – Anspruch und Wirklichkeit stark auseinanderklaffen. Der Film zeigt dreckige Toiletten und Duschen in einem halbvergammelten Gebäude außerhalb des Ortes. Die untergebrachten Flüchtlinge sind nicht nur vom dörflichen Leben mehr oder weniger abgeschnitten und damit hauptsächlich unter sich, sondern auch noch unbekannte Zimmernachbarn und -genossen. In der anschließenden Diskussion wurde weiterhin erläutert, dass sich jeweils 20 bis 30 Personen, die sich vorher nicht kannten, ein Bad mit Toilette teilen. Dieser Mangel an Privatsphäre – selbst in den Mehrbettzimmern – führt zu Konflikten in der Unterkunft. Dazu kommt die latente Gefahr von rechter Gewalt; so soll vor Kurzem die Gasleitung des Gebäudes manipuliert worden sein.
Diese Dokumentation zeigt eindrucksvoll auch denjenigen, die noch nicht eine Flüchtlingsunterkunft aus der Nähe gesehen haben, wie wenig Menschlichkeit doch im Umgang mit den Flüchtlingen bisweilen herrscht. Nach diesem guten und wichtigen Auftakt des Screenings hatten es die folgenden Filme natürlich schwierig, an die Relevanz anzuknüpfen.
The Old Man and the Bird
Dies ist ein weiterer Film mit Regionalbezug, da er in Kassel entstanden ist. Technisch aufwändig gestaltet lässt die Handlung trotzdem Raum, um mit dem Film zu hadern: Ein alter Mann findet im Schneesturm vor seinem einsamen Haus im Wald einen Vogel und will diesen vor dem Erfrieren retten. Während der Mann versucht, sich durch den Sturm wieder ins Haus zu kämpfen, den Vogel im Mantel, sieht man als Traum, wie er im Haus den Vogel aufwärmt, ihm Futter gibt und sich an seinem Leben erfreut. An dieser Stelle wäre das Happy End mit Tauwetter perfekt. Der Regisseur Dennis Stein-Schomburg hat sich allerdings dafür entschieden, den Mann im Schnee scheitern zu lassen. Während er langsam unter den weißen Massen begraben wird, schafft es der Vogel, wieder aufgewärmt zu Stärke zu kommen. Obwohl der Mann somit sein Leben lässt um das des Vogels zu retten, versprüht dieser Film doch trotzdem wenig Hoffnung.
Kurze Filme kurz notiert
Zu den restlichen Filmen des Screenings fällt es zumindest mir schwer, mehr als zwei, drei Sätze zur Beschreibung zu notieren. Deshalb im Folgenden:
- Kybernauten
- In diesem Film wird die Geschichte von Major Tom verfilmt. Auf Grund der Art der Erzählung und Darstellung könnte man das Genre als „Psy-Fi”, „psychedelic fiction“, bezeichnen.
- The Slow Show – Dresden
- In der anschließenden Diskussion wurde der erste Eindruck bestätigt: Es handelt sich hierbei tatsächlich um ein Musikvideo. In diesem soliden und ästhetisch ansprechenden Werk sieht man einen alternden Dirigenten abwechselnd vor seinem Pult und unterwegs, untermalt mit dem wuchtigen Popsound der Manchester' Band The Slow Show.
- Slow Down
- Mexiko scheint noch eines der Länder mit einer Stierkampftradition zu sein. In diesem Film wird mal aus Sicht des Kämpfers, mal aus Sicht des Stiers der Kampf beleuchtet, untermalt mit „dubstepiger“ Musik und kurzem „Vor-Zurück-Spulen“. Es scheint auf den ersten Blick auch eine Ikonifizierung des Stierkampfs zu sein, woher meine anfängliche Abneigung rührte. In der Diskussion wurde dann auch die Kritik am Kampfgeschehen deutlich. Bei diesem war die anschließende Diskussion besonders erhellend und daher sehr wichtig zum Verständnis des Films.
- Slow Job
- Ein Rudel Segwayfahrer mit den Worten „Haben die alle keinen Job?“ zu charakterisieren sind schon starke Worte. Dieser Film ist einfach kurz und knapp aus dem Alltag auf den Punkt gebracht.
- Postcolonialism in 30 sqm
- Der erste Gedanke war „hm…?“ Eine gute Viertelstunde später hatte sich zumindest das krasse Spiel mit Klischees zwischen deutscher „erster Welt“ und mexikanischer „dritter Welt“ bis zur Eskalation zugespitzt.