Nordhessische … Kommentar: Konsequent inkonsequentes Alkoholverbot

Kommentar: Konsequent inkonsequentes Alkoholverbot

Abstract

Seit einigen Wochen gilt auf einigen öffentlichen Plätzen in Kassel ein Alkoholverbot, welches in mehrerlei Hinsicht inkonsequent ist und von Seiten der Stadt, insbesondere des Ordnungsamts, inkonsequent behandelt wird. Man rühmt sich zwar mit begleitenden Hilfsangeboten, aber das eigentliche Alkoholproblem wird in bewährter Manier nur ausgeblendet. Schlimmer allerdings: Abseits des Alkoholsverbots existieren nun „rechtsfreie Räume“ in Nordhessen!

Das Kasseler Alkoholverbot gilt nur auf einigen ausgewählten Plätzen, die in der Vergangenheit durch eine so genannte „Säuferszene“ aufgefallen sein sollen. Andere Orte in der Stadt, in denen in viel größerem Maße (und größeren Maßen) Drogen aller Art deutlich verantwortungsloser konsumiert werden, sieht man allerdings keinen Grund zum Einschreiten. So ist leider davon auszugehen, dass nichts gegen die Diskotheken, Raucherkneipen oder Volksfeste genannten Drogenhorte gemacht wird. Wir haben hier – außerhalb der wenigen Verbotszonen in der Stadt – verbotsfreie Räume! Es kann allerdings nicht sein, dass diese Räume auch zu rechtsfreien Räumen werden. Was im Internet verboten ist, darf nicht auch im realen Leben erlaubt sein!

Neben allen anderen öffentlichen Räumen in Kassel stehen damit auch die öffentlichen Räume der anderen nordhessischen Gemeinden im Wettbewerb um liberalere Trinkregeln und torpedieren somit das Kasseler Alkoholverbot. Unverständlich ist außerdem, warum der kommerzielle Drogenhandel und die Fixerstuben für die Volksdrogen in der Kasseler Innenstadt weiterhin ihren Beitrag zur moralischen Verwahrlosung der Menschheit leisten dürfen. Das ist inkonsequent!

Konsequent inkonsequent: Kontrolle durch das Ordnungsamt

Bereits beim traditionellen Volksfest Zissel konnte das Alkoholverbot durch seinen ersten großen Praxistest durchfallen und es nutze diese Chance auch gleich: Etliche Wagen des Landumzugs schenkten Alkohol an Passanten aus, viele der auf den Wagen Mitfahrenden konsumierten Alkohol in nicht unerheblicher Menge – und das vor den Augen Tausender Kinder! Ordnungsamt und Polizei hatten wir für diesen konzertierten kriminellen Massenakt allerdings keine Augen, sondern nur für die Wagen und den „reibungslosen Ablauf“ der Veranstaltung.

Ebenso inkonsequent ist die Überwachung des Alkoholverbots im Tagesgeschäft: Auf dem Königsplatz beispielsweise ist der Konsum von Alkohol in der Zeit von 18 Uhr bis 6 Uhr untersagt. Das Ordnungsamt patrouilliert dem entsprechend länger – nun bis Mitternacht. Das heißt, dass der Königsplatz von Mitternacht bis 6 Uhr früh ein rechtsfreier Raum ist! Ebenso dürfte es sich mit den anderen verbotenen Plätzen in der Stadt verhalten.

Konsequent inkonsequent: Probleme lediglich verdrängen

Zur Motivation des Alkoholverbots heißt es, dass man das Problem Alkoholismus ernst nähme und Hilfsangebote für Abhängige schaffen wolle. Dieser im Grunde 110%ig unterstützenswerte Ansatz kann allerdings nicht darüber hinweg täuschen, dass mit dem Verbot das Problem erst einmal aus den Augen und dann aus dem Sinn verbannt wird. Wie auch bei der von Feinden bürgerlicher Freiheit und der Umfallerpartei beschlossenen Internetzensur verdrängt man real existierende gesellschaftliche Probleme ins Private – was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. Gelöst ist damit allerdings kein Problem.

Die Frage muss daher sein: Warum empfinden manche oder gar viele Menschen ihr Leben so unerträglich, dass sie es mit Drogen betäuben müssen? Was ist der Grund, sich das Wochenende berauscht zu verschöndern oder den letzten Kick zu verspüren? Sich als Gesellschaft dieser Fragen zu verweigern ist genauso inkonsequent, wie das ledigliche Betäuben, Verschönern oder Aufregendergestaltens des eigenen Lebens.

Robert Bienert, Hobby-Hedonist