Buchhandel: Wie man Verlage aussaugt und den Markt zerstört
Abstract
Kassel (rb/ms) – Auf der Kulturseite des Portals jetzt.de (Süddeutsche Zeitung) ist seit gestern „eine Geschichte“ zu lesen, „in der, obwohl sie vom Kulturgut Buch handelt, nicht wenige Leute Angst haben“. Diese Geschichte handelt vom Gebaren großer Buchhändler, für die das Buch nur ein Produkt ist, den Verlagen gegenüber, die im Umkehrschluss auch den Autoren weniger zahlen können. Einige dieser Händler haben wohl eine marktbeherrschende Stellung, so dass sie den Verlagen, die sich wiederum in die Abhängigkeit der Ketten begeben, praktisch die Preise diktieren.
Seit dem Einstieg großer Ketten in den Buchhandel werden zwar mehr Leute Gefallen an Büchern gefunden haben, aber gleichzeitig sorgt der bei jetzt.de dokumentierte Auftritt der Ketten auf dem Buchmarkt für Einfalt statt Vielfalt: Außer Bestseller findet man kaum etwas in den Läden und die Verlage werden systematisch wie eine Zitrone ausgepresst. Das Modell der Discounter und später auch anderer Branchen, den „Zulieferern“ immer größere Rabatte abzunötigen, hat auch hier Schule gemacht und zeigt, dass es letztlich gleichgültig ist, ob man Bücher, Toastbrot oder Blinker verkauft. Die starke Stellung eines Konsumentenoligopols, das seine Rendite zu einem großem Teil nicht aus dem Weiterverkauf, sondern auf Kosten des Zulieferers macht, stellt dabei ein klassisches Marktungleichgewicht dar – es ist für den Endkunden letztlich suboptimal.
Großverlage spielen das Spiel mit
Interessant an dem Artikel ist, dass die Großverlage bislang das Spiel der Ketten mitspielen und sich somit in die Abhängigkeit der Großhändler begeben. Dabei werden – wie Kommentatoren zu dem Artikel korrekt bemerken – Bestseller nicht bei einem bestimmten Händler gekauft, sondern sie werden gekauft. Dazu kommt, dass die Verlage zumindest einem Teil der Ketten noch Geld zahlen müssen, damit ihre Bücher präsent sind. Manche Ketten nennen das „Eintrittsgelder“, der Blogger Felix von Leitner („Fefe“) fühlt sich hingegen an einen Chicagoer Geschäftsmann der 1920er erinnert. Denn wer einmal nicht über den Zahltag gehen will, dem droht die Auslistung aus dem Sortiment. Wobei das durchaus auch als Chance verstanden werden kann: Je mehr Verlage sich diesem Spiel verweigern, desto geringer wird die Macht, die die Ketten im Endeffekt auf den Markt ausüben können.
Marktmacht Kunde
Ein weiterer Faktor ist der Kunde, der es auch in der Hand hat, wo er einkauft, ob er lieber große Handelsketten oder lieber Autoren unterstützen möchte. Der Kunde muss wissen, ob er sein Geld in eine kleine, gemütliche, gut sortierte Buchhandlung um die Ecke trägt oder zu einem großen Filialisten in der uniformen Innenstadt, der jeden Quadratmeter Geschäft mit mehreren Videokameras überwacht – selbst im angegliederten Café. Bilder von der Kasseler Filiale einer solchen Buch- (nicht Video-) Kette wird es hier demnächst geben. Und damit wiederholt sich auch auf dem Buchmarkt, was schon in vielen Bereichen vorher stattgefunden hat: Große Ketten verdrängen mit vermeintlich großer Auswahl und überzogenen Preisen den Einzelhandel, töten das Einzigartige der Innenstädte und bereichern nur ihre Aktionäre. Für die Region gibt es keine Gewinner: Es verschwinden Arbeitsplätze, Kaufkraft und Gewerbesteuer.
Lokaler Händler klärt bei Youtube auf
Bereits im Mai 2009 hatte die Buchhandlung am Bebelplatz ein Video auf der Plattform Youtube eingestellt. Es informiert über die großen Buchhandelsketten, macht aber auch Werbung für die Buchhandlung am Bebelplatz.