Warum der ganze Hass?
Abstract
„Postfaktisch“ ist das Wort des Jahres, „Volksverräter“ das Unwort des Jahres, in den USA gibt es seit neuestem „alternative Fakten“, im Internet eskaliert jede zweite Diskussion, „Hatespeech“ ist in aller Munde, viele Mitmenschen geben sich auffällig dünnhäutig. Was ist da los, warum der ganze Hass, wo ist die Coolness geblieben?
Wie ein legitimes Anliegen Hass provoziert
Der Grund, diesen Artikel zu schreiben, war ein FR-Artikel über den Busfahrerstreik in Hessen. Darin wird berichtet, auf welch unterirdischem Niveau „Kommentatoren“ im Internet ihrem Ärger über den Streik Luft machen – indem sie laut FR-Bericht mit massiven Aggressionen und Hass der Gewerkschaft ver.di begegnen. Dabei ist der Streik nicht nur inhaltlich legitim, sondern vor allem ein demokratisches Recht der Angestellten. Streiks in der öffentlichen Daseinsvorsorge führen dabei automatisch zu Beeinträchtigungen für einen großen Teil der Bürger.
Quittung an die falsche Adresse
Der Hass, der sich nun gegenüber der Gewerkschaft ver.di oder den Busfahrern entlädt, ist allerdings an den falschen Adressaten gerichtet, was die Pöbler im Internet vergessen: Die Privatisierung von Teilen der öffentlichen Daseinsvorsorge und Infrastruktur geht nicht auf die Beschäftigten oder deren Gewerkschaften zurück, sondern war und ist politisch gewollt. Gemäß der marktliberalen Theorie ist die Privatisierung effizienter und ruft Wohlfahrtsgewinne hervor. Es ist allerdings fraglich, ob Streiks dabei mit eingepreist sind …
Trotz alledem sind nicht die Busfahrer Schuld an ihrer Situation, sondern die Politiker und Berater, die die Privatisierung vorantreiben.
Mehr Höflichkeit wagen
Aber vor allem sind Hass und Aggression kein guter Ausgangspunkt für einen konstruktiven Diskurs. Wer auf diesem unterirdischen Niveau einsteigt, kann nicht an einer Lösung interessiert sein – und wird auch nicht als ernsthafter Gesprächspartner akzeptiert. Diese aggressiv vorgetragene Ablehnung ruft beim Gegenüber nur ebenfalls Ablehnung hervor.
Wer sich als narzisstisch gestörter Wutbürger
in seiner gedanklich-emotionalen „Heimat eingebunkert“ hat, mag diesen Punkt wohl übersehen, weil das Gegenteil von Ablehnung Aufeinander-Zugehen ist. Man muss heraus aus dem Schwarz-Weiß-Denken seiner „Komfortzone“ und sich auf etwas einlassen.
… und damit zum Ziel
Dass „mehr Höflichkeit“ zum Ziel führen kann, mag das Beispiel des Studentenprotestes gegen Studiengebühren (Studienbeiträge) in Hessen zeigen: Neben – zugegeben, zum Teil „nervigen“ – Demonstrationen suchten die hessischen Studenten auch inhaltlich die Öffentlichkeit und beteiligten sich konstruktiv an der Debatte. Dass eben nicht nur „langhaarige Langzeitstudenten Krawall machten“, sondern die „zukünftige Elite“ mitbestimmen wollte, dürfte für den gesellschaftlichen Rückhalt gesorgt haben.
Dieses Beispiel soll nicht auf Grund des Narzissmus des Autors das alleinige sein, denn der Don hat bei den Stützen der Gesellschaft ein ähnliches Beispiel mit einem vergleichbaren Anliegen — und vergleichbarer Quintessenz.
Der Ton macht die Musik
Denn in dem Moment, in dem ein politisches Anliegen (auf der Straße) eskaliert, verliert es massiv an gesellschaftlicher Zustimmung. Deshalb wird auch der Hass und das Pöbeln im Netz größtenteils nicht Ernst genommen (außer vielleicht von der so genannten „AfD“). Der Ton macht eben die Musik. Und ein harmonisches Stück kommt mehrheitlich besser an als etwas Atonales.
Mehr Coolness wagen
Nachdem der Hass und die Aggression großflächig in Frage gestellt worden sind, kann zum letzten Punkt aus der Einleitung zurückgekommen werden: Wir müssen wieder gelassener werden.
Coolness, ganz im Sinne von „Stromberg“: Einfach locker durch die Hose atmen.
Nicht alles, was vor der Haustür passiert, als Angriff auffassen, schließlich dreht sich die Erde ständig (am Äquator mit unfassbaren 1700 km/h!) weiter. Öfter mal nach draußen gehen und die Natur genießen. Und sich Hobbys suchen. Modellbau ist z. B. empfehlenswert, denn dort kann man sich seine kleine heile Welt gestalten, überschaubar und alles folgt dem eigenen Kommando.