Nordhessische … Kolumne: Das Verhältnis der Kasseler zu ihren Plätzen

Kolumne: Das Verhältnis der Kasseler zu ihren Plätzen

Abstract

Ein öffentlicher Platz in der Nordhessen-„Metropole“ muss im Grunde nur einem Zweck genügen, meint Robert Bienert von Nordhessische.de: Es reicht, wenn man den Platz betonieren oder mit Aufbauten für kommerzielle Veranstaltungen vollstellen kann. Als Beispiele für das Verhältnis der Kasseler zu ihren öffentlichen Plätzen müssen die „Betonflächen“ Königsplatz und Rainer-Dierichs-Platz sowie der verkannte Friedrichsplatz herhalten.

Schaut man sich die großen innerstädtischen Plätze, die Kassel zu bieten hat, an, fallen der neu gestaltete Scheidemannplatz sowie der momentan begrünte Friedrichsplatz auf: Kein Asphalt, sondern Orte, an denen man verweilt. Der Scheidemannplatz scheint von beiden Ausnahmen vielleicht noch der „glücklichere“ zu sein: Er ist nicht groß genug, ihn zur Volksbelustigung mit Zelten oder Buden vollzustellen. Über dem Friedrichsplatz hängt hingegen stets das Damoklesschwert zeltartiger Aufbauten, die seinem Grün – oder zur documenta 12 mohnrot – massic zusetzen und ein Verweilen unmöglich machen.

Da stellt sich die Frage, wem die innerstädtischen Plätze eigentlich gehören, wenn der Kommerz einzelner Unternehmen, die als Filialisten oder Aktiengesellschaften Kaufkraft aus der Region abziehen, einen höheren Stellenwert bekommt, als die Funktion der Grünflächen zur Naherholung und ihres Beitrags zu einem besseren Stadtklima. Die Frage ist außerdem, wer letztlich jedesmal für die Wiederbegrünung aufkommt.

Auto- und Asphaltfreundliche Stadt

Die Zeiten der autofreundlichen Stadt sind glücklicherweise vorbei und auch die Straßenbahn hat man in Kassel (fast immer) wieder liebgewonnen, aber vom Asphalt und Beton möchte man sich kaum trennen. Das ist paradox, wenn man sich einmal überlegt, dass über die Hälfte des Stadtgebiets bepflanzt ist – und das ist auch gut so! Trotzdem tut man sich mit der Wiederbegrünung ehemaliger Betonwüsten sehr schwer – mit deren Bebauung dafür umso weniger, wie man beispielsweise seit Jahrzehnten am Rande des Naturschutzgebiets Dönche sehen kann.

Der vormals ebenerdige und mit Baumreihen „zugestellte“ Königsplatz leidet allerdings immer noch unter den Resten eines documenta-Kunstwerks (diese riesige Betonfläche) und der anschließenden Verschlimmbesserung (Alibibäume, Wasserspeier). Lediglich die neuen Haltestellen sind ein Lichtblick. Zurück nach vorne zu mehr Grün traut man sich allerdings leider nicht, auch wenn es von Bürgern und Anrainern gewünscht wird. Aber vermutlich bremst auch hier die Befürchtung, dass man den Platz dann nicht mehr in voller „Pracht“ für Stadtfeste oder Wei(h)nachtsmärkte verwenden könne. Meiner Meinung nach ein Armutszeugnis für den König der Plätze. Für diese Kolumne habe ich übrigens nach Bildern des Platzes gesucht und keine (ansprechenden) gefunden – wenn das kein Zeichen ist.

Immerhin: Bahnhofsvorplatz wieder begrünt

Als der Vorplatz des Kulturbahnhofs neu gestaltet wurde, wussten die Planer wohl schon darum, dass innerstädtische Grünflächen der Klimaerwärmung vor Ort entgegenwirken. Sie scheinen dabei allerdings übersehen zu haben, dass es Pflanzen und Bäume sein müssen und nicht grün gefärbte Flächen, insbesondere keine versiegelten Flächen. Als ich den Platz das erste Mal sah, fragte ich mich, ob der Namensgeber Rainer Dierichs wirklich so „schlimm“ war, dass ihm solch ein trostloser und im Winter spiegelglatter Platz gewidmet worden ist. Diese Art der „Begrünung“ ist gerade und erst recht in Kassel ein städtebaulicher „Treppenwitz“.

Schauen Sie Selbst

Meiner Meinung und vielleicht auch ihrer Meinung nach, sollte ein Platz zum Flanieren und Verweilen einladen. Daher stellt sich die Frage: Wer verweilt wo in Kassel? Und warum? Zudem legen die innerstädtischen Plätze Zeugnis über das Ansehen einer Stadt ab und wie sich die Stadt selbst sieht. Können da zubetonierte Flächen, die dem Anschein nach hauptsächlich zum Aufstellen von Getränke- und Würstchenbuden dienen, einen positiven Beitrag leisten? Ich bin da skeptisch – wie auch der Marketingberater für Tourismus Wolfgang Ehle: „Dass die Kasseler Stadtplaner ein Talent haben, Plätze mit Potential für urbanes Leben in trostlose Ebenen zu verwandeln, sieht man sehr deutlich am Königsplatz und vor dem Kulturbahnhof.“

Robert Bienert