Nordhessische … Sexuelle Revolution ade?

Abstract

Die letzte Folge des radioeins-Podcasts Schröder und Somuncu vor der Sommerpause wirft die Frage auf, was in der Postmoderne eigentlich von der Sexuellen Revolution, von freier Liebe im Kern, übrig geblieben ist. Zumindest das Sprechen darüber ist gar nicht so frei, wie ausgeführt wird. Andere Beispiele aus der Popkultur stellen auch diese Frage.

Sexuelle Freiheit und Freizügigkeit

Dürfen Männer überhaupt noch über Sex reden?

Mit dieser Frage des Kabarettisten Florian Schröder beginnt gleich am Anfang der Folge 32 des radioeins-Podcasts Schröder und Somuncu eine interessante Diskussion über Das Reden über Sex in der heutigen Zeit, denn der Satiriker Serdar Somuncu stellt direkt fest:

Ich glaube, dass über Sex sprechen heute anders ist als noch vor zehn oder zwanzig Jahren. Man muss da sehr auf seine Wortwahl achten, aber nicht nur auf die Wortwahl, man muss auch auf seine Gedanken achten. Und insofern: „ja, aber“. Also ich würde sagen, es ist nicht leicht über Sex zu sprechen ohne dabei in Fettnäpchen zu treten.

Diskursverengung

Aus der eigenen Wahrnehmung verwundert diese Feststellung kaum, jede:r kennt das selbst. Andererseits verwundert es, wenn man sich die Gesellschaft heute im Vergleich zu den 1950ern anschaut, als bereits ein unbedeckte Knöchel, Schultern oder Knie zu Skandalen führten. Somuncu weiter:

Es ist auch paradox: Wir leben in einer sehr sexuellen Umgebung, in der Pornografie verfügbar ist wie es noch nie der Fall war, aber wir streiten darum uns immer mehr einzuengen und einzuschränken oder wir werden immer genauer in unserer Wortwahl und in der Art, wie wir über Sex reden. Und das, glaube ich, ist nicht immer zweckdienlich, weil über Sex zu sprechen oft etwas mit Kontrollverlust zu tun hat.

Dieses Einengen der Freiheit und auch Freizügigkeit, eine „Rückkehr von Prüderie“ fällt auch im Vergleich des heutigen Fernsehens oder der Werbung mit den Medien der 1970er und 1980er auf: Während damals die Freiheit und Freizügigkeit, die Nacktheit gerade dabei war kein Skandal mehr zu sein, geht es heute doch vergleichsweise keusch zu – zumindest vor 22 Uhr. Man vergleiche bloß

  • den Tatort Reifezeugnis mit heutigen Tatort-Folgen
  • die Werbung im Film Das Millionenspiel mit tatsächlicher Werbung heute
  • oder überlege, ob die verschiedenen Langnese-Werbespots der 1980er heute noch gingen (hierbei stecken die Teufel in den Details – dummes Anbaggern oder Grabschen werden direkt geahndet)
  • oder gar die Fa-Werbung von 1986.

Sexpositivismus

Was bei den Werbespots auffällt: Körperliche Reize werden zwar gekonnt in Szene gesetzt, aber selbstbewusst betont. Von den Darstellern in der Werbung geht Stärke aus, bei allem Humor. Dazu passend im Podcast die Feststellung von Florian Schröder:

Das positive Sprechen über Sex ist selten geworden.

Und auch das hat mit eingeengten Diskursen zusammen, in denen Sex generell Macht bzw. ein Machtgefälle unterstellt und in gesellschaftliche Hierarchien eingeordnet wird – ganz so, als gäbe es keinen einvernehmlichen Konsens zwischen mindestens zwei Personen, die gegenseitig ihre Wünsche äußern und gemeinsam ausleben. Natürlich gibt es diesen Konsens, sonst wäre die so einfache wie richtige Formel nur Ja heißt Ja auch gar nicht denkbar. Die Freiheit darüber, wie dieses Einvernehmen ausgedrückt wird, kann man bei erwachsenen Menschen, die sich gut kennen, allerdings durchaus diesen selbst überlassen. Denn eine Kontrolle über das Sexualverhalten der Menschen erlauben sich nur totalitäre Regimes, siehe auch George Orwells 1984.

Ein Synonym für Sex ist „Liebe machen“ und so naiv verblümt wie es klingt, ist es vielleicht ein Ansatz wieder positiver zu werden – mit gegenseitiger und gemeinsamer Liebe. Das ist etwas, was in vielen gesellschaftlichen Diskursen derzeit doch eher vernachlässigt wird. Man schaue sich vielleicht doch noch einmal an, wie mit dem Thema zu Zeiten von „Love and Peace“ oder „Sex, Drugs, Rock'n'Roll“ umgegangen worden ist (jenseits des Mackertums): verspielt, naiv und schon fast kitschig.