Abstract
Nachdem absehbar ist, dass die hessischen Studenten die nötigen 43.000 Unterstützungsunterschriften für ihre Klage gegen das hessische Studienbeitragsgesetz (HStuBeiG) fristgerecht bis Ende Mai zusammenbekommen, planen sie bereits den nächsten Schritt: Mit einem Boykott der Gebühren wollen sie die Landesregierung zur Rücknahme des Gesetzes bewegen.
Hessische Verfassung contra „Schulgeld“
Artikel 59 der hessischen Verfassung garantiert jedem hessischen Bürger die Unentgeltlichkeit von Schule und Studium: In allen öffentlichen Grund-, Mittel-, höheren und Hochschulen ist der Unterricht unentgeltlich. Das Gesetz […] kann anordnen, dass ein angemessenes Schulgeld zu zahlen ist, wenn die wirtschaftliche Lage des Schülers, seiner Eltern oder sonst Unterhaltspflichtigen es gestattet. Der Zugang zu den Mittel-, höheren und Hochschulen ist nur von der Eignung des Schülers abhängig zu machen.
Trotz der Eindeutigkeit dieses Artikels hat sich die hessische Landesregierung unter Roland Koch (CDU) nicht davon abschrecken zu lassen, das HStuBeiG zu verabschieden, das die Einführung allgemeiner Studienbeiträge zum Wintersemester 2007/2008 vorsieht. Aus der Kann-Bestimmung soll so die Regel werden. Ein weiterer Knackpunkt ist die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit „des Schülers“. Sie soll laut Gesetz durch einen Kredit, der ohne Bonitätsprüfung vergeben wird, sichergestellt werden.
Kredit macht Studium noch teurer
Verfassungsrechtler wie Professor Joachim Wieland (Uni Frankfurt) weisen allerdings darauf hin, dass die Aufnahme eines Kredites lediglich die finanzielle Leistungsfähigkeit sicherstelle, wobei ein Kredit generell die Sozialverträglichkeit in Frage stellt. Derjenige, der nicht 500 Euro Studiengebühren „von seinem Taschengeld“ bezahlen kann, muss zukünftig einen mit bis zu 7,5 Prozent verzinsten Kredit aufnehmen. Er wird also nach seinem Studium deutlich mehr bezahlt haben als ein Student, der die Gebühren ohne Kredit aufbringt. Dazu kommt, dass dieses Mehr an finanziellem Aufwand nicht der Hochschule, sondern ausschließlich den Gläubigern zu Gute kommt.
Normenkontrollklage wird vorbereitet
Aus diesen und weiteren Gründen haben die hessischen Studenten kurz vor dem 60. Geburtstag der hessischen Verfassung begonnen, die Klage gegen das HStuBeiG vorzubereiten, wozu sie allerdings die Unterstützung von einem Prozent der wahlberechtigten Hessen benötigen. Es zeichnet sich ab, dass mit Hilfe der tatkräftigen Unterstützung von Studenten, Schülern, Lehrern, Professoren, Elternverbänden, Gewerkschaften, Parteien, Beamten und sogar Gemeinden die nötigen 43.308 Unterschriften rechtzeitig zusammenkommen, so dass die Normenkontrollklage vor dem Staatsgerichtshof eingereicht werden kann.
Der Staatsgerichtshof will erst nach der Landtagswahl im Januar 2008 über diese Klage sowie eine Klage der Opposition im Landtag entscheiden, so dass die hessischen Studenten im Wintersemester die 500 Euro erstmals zahlen müssen. Diese Situation ist für alle Beteiligten ausgesprochen unglücklich. Die Studenten zahlen dann Studienbeiträge auf der Grundlage eines Gesetzes, dessen Verfassungsmäßigkeit noch überprüft wurde. Ohne einen ausdrücklichen Widerspruch gegen den Gebührenbescheid erhalten sie das Geld allerdings nicht zurück, wenn das HstuBeiG im Rahmen des Klageverfahrens gekippt wird.
Klage verhindert Planungssicherheit für Hochschulen
Unglücklich auch: Die Hochschulen müssen die Verwendung der Gelder planen, können aber wegen des juristischen und politischen Schwebezustandes keine langfristig orientierten Planungen anstellen. Zudem ist ungeklärt, wer den Studenten im Erfolgsfall der Klage das Geld zurückzahlt. Insofern liegt die Lösung, die Zahlung der Studienbeiträge auszusetzen, nahe.
Treuhandkonto statt Uni
Da die Landesregierung weiterhin von der Rechtmäßigkeit ihres schon im Ansatz falschen Gesetzes überzeugt ist, bleibt es an den Studenten hängen, die Aussetzung der Beiträge zu bewirken. Dazu fanden an allen hessischen Hochschulen Vollversammlungen statt, auf denen der Boykott der Beiträge beschlossen wurde, wobei das nötige Quorum jeweils bei 20 bis 25% liegt. Überweisen genug Studenten das Geld auf ein Treuhandkonto und nicht an die Uni, beginnen die Verhandlungen, in denen sich die Landesregierung zum ersten Mal in dieser Diskussion auch tatsächlich gesprächsbereit zeigen muss. Die öffentliche Wirkung eines solchen Vorgangs kurz vor der Wahl ist nicht zu unterschätzen - schließlich wird Bildung eines der zentralen Wahlkampfthemen sein.
Wie es also aussieht, wird es auch diesen Sommer heiß in Hessen, weil die Regierung Koch auf Konfrontation statt Dialog und soziale Selektion statt Chancengleichheit setzt. Erste Auflösungserscheinungen zeigen sich dabei interessanterweise in der Regierung, der Bildungsminister Udo Corts (CDU) ab 2008 nicht mehr angehören wird.