Nordhessische … Hessenwahl und Volksabstimmung 2018

Abstract

Am 28. Oktober 2018 fand in Hessen neben der Landtagswahl eine verfassungsändernde Volksabstimmung statt. Dabei ist auch über die Abschaffung des prominentesten Artikel der Hessischen Verfassung abgestimmt worden: Artikel 21 sah bei besonders schweren Verbrechen die Todesstrafe vor. Korreliert man das Ergebnis der „Hessenwahl“ mit dem Ergebnis der Volksabstimmung, fallen interessante „Häufungen“ auf.

Volksabstimmung zur Änderung der Verfassung des Landes Hessen

Zeitgleich mit der Wahl zum 20. Hessischen Landtag fand auch eine Volksabstimmung zur Änderung von 15 Artikeln der Hessischen Verfassung statt. Dieses Prozedere ist in Artikel 123 (2) festgelegt: Die Verfassung kann nur durch Mehrheitsbeschluss des Landtags sowie einer Volksabstimmung geändert werden. Von den 15 zur Abstimmung stehenden Änderungen lohnen – nicht nur im Kontext der Landtagswahl – ein paar der näheren Betrachtung:

Die Todesstrafe in der Hessischen Verfassung

Der vierte Punkt, die Abschaffung der Todesstrafe, war längst überfällig, denn faktisch war diese auf Grund von Artikel 153 der Hessischen Verfassung und Artikel 31 des Grundgesetzes außer Kraft gesetzt: Bundesrecht bringt Landesrecht. Der Anachronismus, dass diese dennoch nach 1949 immer noch in der Verfassung des Landes Hessen stand, ist u.a. mit der Scheu der Landtagspolitiker vor dem Ergebnis einer Volksabstimmung darüber begründet: Man hegte Jahrzehnte lang die Furcht, dass auf ein spektakuläres Verbrechen oder populistische Umtriebe hin sich eine Mehrheit der abstimmenden Bürger für die Todesstrafe ausspricht.

Dass diese Sorge vielleicht unbegründet war, hat sich am 28. Oktober 2018 gezeigt, als eine deutliche Mehrheit von 83,2 Prozent der abstimmenden hessischen Bürger für die Abschaffung der Todesstrafe aus der Hessischen Verfassung votiert hat. Allerdings verwundert auch die implizite Zustimmung zur Todesstrafe von immerhin 16,8 Prozent.

Wahl- und Abstimmungsergebnisse

Zur Untersuchung auf mögliche Korrelationen oder anderweitig interessante Ergebnisse der Landtagswahl in Kombination mit der Volksabstimmung zur Änderung der Hessischen Verfassung ist im Folgenden auf die vorläufigen amtlichen Ergebnisse der Landtagswahl sowie der Volksabstimmung zurückgegriffen worden. Die Ergebnisse werden auf den verlinkten Seiten als CSV-Dateien angeboten und sind hier in einer OpenDocument-Tabelle aggregiert. Zur Auswertung sind die Wahlkreisergebnisse der oben genannten Änderungspunkte der Verfassung mit den Ergebnissen der im zukünftigen Landtag vertretenen Parteien gegenübergestellt. Wer selbst die Ergebnisse untersuchen möchte, kann das verlinkte OpenDocument unter Berücksichtigung der Creative Commons-Lizenz (CC) Namensnennung Nicht-Kommerziell Weitergabe unter gleichen Bedingungen (by-nc-sa) dafür verwenden.

Eine erste Übersicht der ausgewählten Punkte und der Stimmenanteile der im zukünftigen hessischen Landtag vertretenen Parteien ist in Abbildung 1 dargestellt und legt nahe, bestimmte Teilergebnisse separat zu betrachten.

Ablehnung der ausgewählten Änderungsvorschläge der hessischen Verfassung sowie Ergebnis aller im zukünftigen Landtag vertretenen Parteien nach Wahlkreis. Die Grafik kann separat heruntergeladen werden und steht unter der CC-Lizenz by-nc-sa.

Zustimmung zu den ausgewählten Änderungen in Korrelation mit „links-grünem“ Abstimmungsverhalten

Die erste mögliche Korrelation ergibt sich aus den Ergebnissen von SPD, Grünen und Die.Linke im Vergleich zur Zustimmung zu den Themen. Die Ergebnisse der SPD passen hierbei allerdings weniger gut, was auf eine Wählerwanderung von der SPD zu den Grünen hindeuten kann, denn in Abbildung 2 sind die Ergebnisse beider Parteien häufig gegenläufig. Die Ergebnisse von Gründen und Die.Linke gehen allerdings recht gut einher mit einer Zustimmung zu den Verfassungsänderungen.

Zustimmung zu den ausgewählten Änderungsvorschlägen der hessischen Verfassung sowie Wahlergebnisse von SPD, Grünen und Die.Linke nach Wahlkreis. Die Grafik kann separat heruntergeladen werden und steht unter der CC-Lizenz by-nc-sa.

Ablehnung der ausgewählten Änderungen in Korrelation zu „rechts-liberal-konservativem“ Abstimmungsverhalten

Betrachtet man das Spektrum rechts der „links-grünen“ Parteien, sprich FDP, CDU und AfD, fällt mehrheitlich eine Ablehnung der Änderungsvorschläge auf. Gleichzeitig kann für einige Wahlkreise eine Wählerwanderung von der CDU, zum Teil auch der FDP, zur AfD vermutet werden.

Ablehnung der ausgewählten Änderungsvorschläge der hessischen Verfassung sowie Wahlergebnisse von FDP, CDU und AfD nach Wahlkreis. Die Grafik kann separat heruntergeladen werden und steht unter der CC-Lizenz by-nc-sa.

Einzelbetrachtung: Beibehaltung der Todesstrafe und Wahlergebnisse der AfD

Eine Korrelation sticht aus der vorherigen Betrachtung allerdings heraus: Die Ablehnung einiger interessanter Änderungsvorschläge und die Wahlkreisergebnisse der AfD. Wie Abbildung 4 zeigt, verlaufen die Ablehnung mehr oder weniger parallel zu den Wahlkreisergebnisse. Das heißt, dass Werte wie die Gleichberechtigung der Geschlechter, das Bekenntnis Hessens zu Europa oder die Unversertheit des Lebens überall dort verstärkt abgelehnt werden, in denen die AfD viele Stimmen bekommen hat.

Ablehnung von Gleichberechtigung und dem Bekenntnis Hessens zu Europa sowie Beibehaltung der Todesstrafe im Vergleich zum Ergebnis der AfD nach Wahlkreis. Die Grafik kann separat heruntergeladen werden und steht unter der CC-Lizenz by-nc-sa.

Rein aus den vorliegenden Daten lässt sich allerdings lediglich diese Korrelation feststellen, sie sind nicht ausreichend einen Kausalzusammenhang zu erkennen. Es kann daher nicht festgestellt werden, ob hauptsächlich AfD-Wähler die Todesstrafe befürworten oder die Gleichberechtigung der Geschlechter ablehnen. Die Korrelation sollte allerdings Anlass für weitere gesellschaftliche und politische Forschungen geben, schließlich zeigt das Ergebnis der Volksabstimmung, dass gewisse Werte der modernen zivilisierten Welt von einem nicht unerheblichen Teil der Wähler ablehnt werden – auch Werte, die eigentlich als nicht verhandelbar angesehen werden.