Nordhessische … Versammlungsverbot für „Quer‚denker‘“ in Kassel

Abstract

Das Verwaltungsgericht Kassel hat die für heute geplante Demonstration von „Quer‚denkern‘“ mit einer bemerkenswerten Begründung untersagt: Man greift auf die Erfahrungen mit einer Demonstration im März zurück. Die Gefahrenprognose des Polizeipräsidiums Nordhessen berücksichtigt demnach auch die Auflagenverstöße, die damals weitreichend dokumentiert worden sind. Das Resultat für Kassel am heutigen Tag: Das öffentliche Leben wird wieder einmal großflächig lahmgelegt.

Versammlungsverbot vom Verwaltungsgericht bestätigt

In der am 21. Juli veröffentlichten Pressemitteilung Nr. 10/2021 des Verwaltungsgerichts Kassel heißt es:

Das Verwaltungsgericht Kassel hat mit Beschluss vom heutigen Tag den Eilantrag der Anmelderin der Versammlung und des Aufzuges „Für Frieden, Freiheit, Menschenrechte und für eine geschlossene Gesellschaft“ gegen eine Verbotsverfügung der Stadt Kassel abgelehnt.

[…] Die Stadt Kassel verbot die Versammlung [mit ca. 3000 Teilnehmern] und den Aufzug mit Bescheid vom 20. Juli 2021. Hiergegen legte die Antragstellerin Widerspruch ein und stellte einen Eilantrag. Die 6. Kammer des Verwaltungsgerichts lehnte diesen ab.

Zur Begründung führte das Gericht im Wesentlichen aus, die Antragsgegnerin habe eine hinreichend tragfähige Gefahrenprognose getroffen. Sie führe nicht nur auf Basis bloßer Vermutungen, sondern auf der Grundlage ausreichender Erkenntnisse zu Recht an, dass die Antragstellerin und die zu erwartenden Teilnehmer der sog. Querdenker-Bewegung angehörten. Die Antragsgegnerin stütze sich hierbei insbesondere auf eine umfangreiche Gefährdungslagenbewertung des Polizeipräsidiums Nordhessen und die Erfahrung mit vergleichbaren – teilweise verbotenen – Veranstaltungen am 20. März 2021, insbesondere im Zusammenhang mit Auflagenverstößen.

[…] Hier bieten die Antragstellerin und die zu erwartenden Versammlungsteilnehmer aber keine Gewähr dafür, dass entsprechende Auflagen, welche der Verringerung des Infektionsrisikos dienten, tatsächlich umgesetzt und eingehalten würden. Offen gelassen hat das Gericht dabei, ob eine Auflage zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung im Freien weiterhin verhältnismäßig ist. Jedenfalls sei der Mindestabstand einzuhalten, was aber durch den Teilnehmerkreis der Versammlung ebenfalls nicht sichergestellt sei. Soweit die Antragstellerin moniert hat, die zeitlichen Abstände rechtfertigten es nicht, auf Erfahrungen vom März 2021 zurückgreifen, hat die Kammer darauf hingewiesen, dass in der Öffentlichkeit die aktuell geplante Versammlung gerade unter Bezugnahme auf die Ereignisse im März 2021 öffentlich beworben werde. Daher sei es rechtlich nicht zu beanstanden, dass auch die Antragsgegnerin darauf abgestellt habe. Weil die Auflösung der Versammlung daher absehbar wäre, dürfe die Versammlungsbehörde diese auch präventiv verbieten.

Der letzte Satz ist hervorgehoben worden: Veranstaltungen, bei denen absehbar ist, dass sie von der Polizei wegen Auflagenverstößen aufgelöst werden, dürfen daher präventiv [verboten] werden. Die so genannten „Quer‚denker‘“ – und man muss das „Denken“ noch einmal in separate Anführungszeichen setzen – werden mit ihrer Demonstration hier also behandelt wie jede andere Versammlung auch.

Spannend ist an dieser Stelle allerdings, wie sich das bei Demonstrationen verhält, zu denen militante Teilnehmer aufrufen … das hängt dann vermutlich davon ab, ob es eine militante Versammlung ist oder diese nur „Trittbrettfahrer“ sind.

Am Kasseler Herkules kommt auch kein „Quer‚denker‘“ vorbei, er beschützt die Stadt.

Eine Stadt in „Geiselhaft“

Da es begründeten Anlass zur Sorge gibt, dass die Teilnehmer der verbotenen Versammlung trotzdem in die Stadt kommen, hat man in Kassel das getan, was man in solchen Situation sehr gut kann: Das öffentliche Leben in der Innenstadt wird lahm gelegt, der Auedamm ist gesperrt und auch im ÖPNV ist mit Umleitungen und Ausfällen zu rechnen. Immerhin:

Aktuell (12.05 Uhr) sind keine Einschränkungen im RT- und Tram-Verkehr bekannt.

Die Menschen in dieser Stadt haben auch ein Recht auf ihr Wochenende – ungestört und in Ruhe. Die so genannten „Quer‚denker‘“ nehmen der Stadtbevölkerung das Wochenende. Daher ist es nicht verwunderlich, dass es auch eine Gegendemonstration geben soll.