Nordhessische … Kein Anschluss unter dieser (Linien-) Nummer

Kein Anschluss unter dieser (Linien-) Nummer

Abstract

Ein kurzer Artikel darüber, wie sich manchmal die Effizienz im öffentlichen Personenverkehr selbst im Weg steht: Da gibt es auf dem Papier des Fahrplans sehr schnelle Verbindungen mit engen Anschlüssen, so dass bereits geringe „Verzögerungen im Betriebslauf“ die tatsächliche Warte- und damit Fahrzeit erheblich verlängern. Je ein Beispiel aus Kassel, Mannheim und dazwischen.

Kassel: „Westtangente“

Seit Jahrzehnten ist in Kassel die Nord-Süd-Verbindung im Westen der Stadt in der Diskussion. Nach und nach sind die Straßen parallel zur Main-Weser-Bahn (von Süden nach Norden: Eugen-Richter-Straße, Bertha-von-Suttner-Straße, Heßbergstraße, Loßbergstraße, Harleshäuser Straße – auf der OpenStreetMap K3, K4, L3420 folgen) ausgebaut worden um der starken Nachfrage im Berufsverkehr gerecht zu werden. Im ÖPNV ist diese Verbindung hingegen nicht durchgehend befahrbar, sondern es muss mindestens am Bahnhof Wilhelmshöhe umgestiegen werden. Je nach Fahrziel ergeben sich noch weitere Umstiege an der Teichstraße sowie am Mattenberg.

überbelichtete Straßenbahn
In diesem Bild ist eine Straßenbahn zu sehen, die an der Haltestelle Baunsberg abbiegt.

Von Baunatal nach Kirchditmold

In Süd-Nord-Richtung verspricht der KVG-Fahrplan für die Fahrt von Baunatal-Stadtmitte zur Teichstraße in Kirchditmold werktags eine Fahrzeit von theoretisch 29 Minuten: Mit der Tram 5 zum Mattenberg, dort Umstieg in die Tram 4 (die NVV-Fahrplanauskunft schlägt hier fälschlicherweise 15 Minuten Umsteigezeit dazu) und am Bahnhof Wilhelmshöhe in den Bus 24 doer 41.

Beide Anschlüsse sind mit einem zeitgleichen Übergang extrem eng getaktet, wobei der Anschluss am Mattenberg praktisch immer besteht, am Bahnhof Wilhelmshöhe des Öfteren (bei ungefähr jeder zweiten Fahrt des Autors) leider knapp verpasst wird, so dass sich die Fahrzeit um 15 Minuten auf 44 Minuten erhöht. Mit einer Verlängerung der Umsteigezeiten um jeweils nur 1 Minute ließe sich eine sehr robuste Verbindung auf dieser Achse herstellen, die auch noch konkurrenzfähig schnell wäre.

In Gegenrichtung

… dauert diese Strecke 10 Minuten länger, auf Grund eines einminütigen Übergangs am Bahnhof Wilhelmshöhe sowie einer Wartezeit von 10 Minuten am Mattenberg. Mit einer Verkürzung des letztgenannten Anschlusses würde diese „Westtangente“ von Vellmar nach Baunatal ebenfalls konkurrenzfähig zum Individualverkehr.

Von Kassel in die Kurpfalz

Zur Fahrt zwischen „Hessisch-Sibirien“ und „der Toskana Deutschlands“ gibt es seit einiger Zeit zwei Anbieter auf der Schiene: Neben dem Platzhirsch Deutsche Bahn (DB) fährt auch Locomore zu einer brauchbaren Zeit von Kassel Richtung Süden – entweder äußerst pünktlich (bislang einmal) oder massiv verspätet (bisher zweimal).

Bahnhof Kassel-Niederzwehren
Es fährt kein Zug, noch nicht einmal nach Nirgendwo: Der Bahnhof Kassel-Niederzwehren.

Konkurrenz zum Fernbus – auf der Schiene

Die eine erfolgreiche Fahrt war recht angenehm, günstig (13 oder 16 €) und schnell (kein Halt in Frankfurt am Main Hauptbahnhof). An einem Vierer-Tisch im Locomore hat man zum Arbeiten in etwa genauso viel bzw. wenig Platz wie in einem InterCity oder ICE der DB. Auf Grund des Halts in Frankfurt Süd statt Hauptbahnhof und der Benutzung der Schnellfahrstrecke zwischen Kassel und Fulda ist man mit Locomore normalerweise so schnell in Heidelberg wie mit ICE und S-Bahn über Mannheim – wenn der Anschluss dort klappt (siehe unten).

Die beiden anderen geplanten Fahrten fanden auf Grund der zu erwartenden Verspätungen am Ankunftsort von mehr als einer Stunde (einmal 90 Minuten, einmal etwas über 2 Stunden) gemäß geltender Fahrgastrechte anderweitig statt. Neben dem Aufwand für den Fahrgast die Erstattung zu bekommen, dürften diese Zahlungen für den Anbieter auch teuer sein: Dem eigenen Fahrpreis von z. B. 16 € steht dann eine Zahlung an den Fahrgast von rund 50 € (bei Buchung des – kurzfristig nur noch erhältlichen – Flexpreises mit einer BahnCard 25) gegenüber. Dem entsprechend ist die Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit von Locomore der Punkt, an dem die Zukunft des Unternehmens hängt.

ICE, ICE, Baby

In etwa in der Taktlage des Locomore besteht eine ICE-Verbindung über Mannheim und von dort mit der S-Bahn weiter in Richtung Heidelberg. Nach Fahrplan besteht in Mannheim eine Umsteigezeit von rund 10 Minuten – eigentlich genug um die paar Gleise zwischen den Bahnsteigen zu unterqueren. Tatsächlich ist es in letzter Zeit praktisch gar nicht vorgekommen, dass dieser Anschluss erreicht worden ist. Die Baustellen auf der Strecke (Friedberg oder Gelnhausen sowie Biblis) werden anscheinend nicht im Fahrplan berücksicht, so dass regelmäßig mit rund 15 Minuten Verspätung bei der Ankunft die S-Bahn um 20:30 Uhr bequem um wenige Minuten verpasst wird.

Haltepunkt Mannheim-Seckenheim mit Rangierbahnhof im Hintergrund
Einsam und Verlassen fühlt sich die halbe Stunde Wartezeit zu späterer Stunde am Mannheimer Hauptbahnhof an. Das Foto zeigt den Haltepunkt Mannheim-Seckenheim mit dem Rangierbahnhof im Hintergrund.

Diese S-Bahn hätte am Zielbahnhof Anschluss an einen Bus, der nur stündlich verkehrt. Das heißt, dass es neben der Wartezeit von einer halben Stunde in Mannheim (bis 21:07) noch eine weitere halbe Stunde am Zielbahnhof gibt – oder man läuft.

Zu Tode optimiert

Moderne Fahrplangestaltung ist kompliziert, keine Frage. Aber die Software, die dabei hilft, erlaubt es prinzipiell auch regelmäßige Abweichungen der realen Fahrten vom Plan festzustellen. Nimmt man die genauen Fahrtdaten mit den Wegdaten (der Strecke) sollten sich so theoretisch Probleme im Betrieb feststellen und technisch beheben oder im Fahrplan berücksichtigen lassen. Denn für den Fahrgast ist nicht die Fahrzeit auf dem Papier entscheidend, sondern auf der Uhr.