Abstract
Um die so genannte »Main-Neckar-Bahn« entlang der Bergstraße als Umleitungsstrecke während der Generalsanierung der Riedbahn (Frankfurt—Biblis—Mannheim) zu ertüchtigen, war jene im Februar gesperrt, die Riedbahn diente als Umleitungsstrecke für Fern-, Güter- – und den Nahverkehr. Letzterer fuhr allerdings chronisch verspätet, wie sich am Samstag, den 10. Februar morgens (!) nachvollziehen ließ. Ein Vergleich des Baustellen-Fahrplans mit dem regulären offenbart einen unrealistischen „Optimismus“.
Samstag morgens um halb zehn
Vor zwei Wochen war eine morgendliche Fahrt von Frankfurt nach Mannheim geplant, kostengünstig mit dem Regionalexpress (RE) 70 um 9:12 Uhr. Bereits gegen neun Uhr wird für den Zug eine Verspätung von 15 Minuten prognostiziert, da die vorherige Fahrt aus Mannheim um 9:17 Uhr statt um 8:52 Uhr in Frankfurt am Main Hauptbahnhof ankommen soll – also 25 Minuten Verspätung in der Ankunft, während der Fahrplan 20 Minuten Wendezeit dort vorsieht.
Problematisch wird das Mitnehmen der Verspätung durch den parallel stattfindenden Fernverkehr, der eine höhere Priorität genießt und zu Überholungen des RE führt. Um den zusätzlichen Verkehr auf der Bahnstrecke aufnehmen zu können, wird die regulär fahrende S7 durch Busse sowie Zusatzhalte des RE70 ersetzt. Die Wendezeit des Regionalexpress' ist eventuell zum Teil auch als Pausenzeit des Zugführers einkalkuliert.
Auf Grund der zu erwartenden, aber nicht kalkulierbaren Verspätung wird das folgende Geschehen während der Fahrt mit einem ICE „aus der Ferne“ über die elektronische Auskunft beobachtet: Tatsächlich startet der RE70 erst um 9:40 Uhr in Frankfurt seine Fahrt nach Mannheim – und aus 28 Minuten sollen bis Mannheim Hauptbahnhof lediglich 25 Minuten werden:
Mit der Ankunft um 10:23 Uhr in Mannheim soll der RE planmäßig um 10:35 seine Rückfahrt nach Frankfurt antreten. Auf Grund der prognostizierten Ankunft um 10:48 ist mit einer Rückfahrt gegen 10:55 zu rechnen, d. h. dass der RE auch die Rückfahrt mit einer Verspätung von etwa 20 Minuten beginnt. Wir erinnern uns: Die planmäßige Wendezeit in Frankfurt beträgt 20 Minuten, die bereits zur Abfahrt in Mannheim aufgebraucht ist. Dieser RE hat also gar keine Chance danach pünktlich von Frankfurt zu starten.
Fahrplan-Vergleiche
Um das Aufsummieren der Verspätungen zu verstehen, sind die Fahrpläne während des Baustellen-Verkehrs sowie regulär gegenübergestellt:
Station | RE70 Baustelle | RE regulär | S7 regulär | ||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Ankunft | Abfahrt | Fahrzeit | Ankunft | Abfahrt | Fahrzeit | Ankunft | Abfahrt | Fahrzeit | |
Frankfurt Hbf. | 9:12 | 36 Minuten | 9:12 | 30 Minuten | 9:50 | 43 Minuten | |||
Riedstadt-Goddelau | 9:48 | 9:48 | 9:42 | 9:43 | 10:33 | ||||
Mannheim-Waldhof | 10:15 | 27 Minuten | 10:12 | 29 Minuten | |||||
Mannheim Hbf. | 10:23 | 10:19 |
Die S-Bahn braucht also für die gleichen Halte zwischen Frankfurt und Riedstadt-Goddelau regulär 7 Minuten länger als der RE während der Bauarbeiten, der zudem auch noch 2 Minuten schneller zwischen Riedstadt-Goddelau und Mannheim verkehren soll. Kombiniert man die Fahrplan-Daten der S7 und des RE70 zu normalen Zeiten, lässt sich daraus die realistischere Fahrzeit des RE70 für den Baustellen-Verkehr abschätzen:
Station | Ankunft | Abfahrt | Fahrzeit |
---|---|---|---|
Frankfurt Hbf. | 9:12 | 43 Minuten | |
Riedstadt-Goddelau | 9:55 | 9:56 | |
Mannheim-Waldhof | 10:25 | 29 Minuten | |
Mannheim Hbf. | 10:32 |
Damit blieben also nur noch 3 Minuten Wendezeit in Mannheim Hauptbahnhof übrig, wenn das gleiche Fahrzeug um 10:35 wieder zurück nach Frankfurt fahren soll. In dieser kurzen Zeit müsste der Zugführer einmal ans andere Ende des Zuges laufen und die Fahrtrichtung wechseln; dieser Weg beträgt bei zwei Einheiten der eingesetzten Fahrzeuge des Typs Bombardier Twindexx Vario etwa 185 Meter (3-teilig + 4-teilig) oder 2 Minuten Fußweg. Zeitlicher Puffer für Verspätungen existierte damit ebenfalls nicht.
Nicht fahrbarer Fahrplan und andere Merkwürdigkeiten
Die realistischer geschätzten Fahrzeiten zeigen bereits für einen alleine verkehrenden Zug, dass das Fahrplankonzept nicht pünktlich gefahren werden kann und die Fahrzeiten zwischen den zusätzlich bedienten Stationen der S-Bahn zu gering eingeplant worden sind. Besonders auffällig ist dies im Verspätungsfall:
Tatsächlich interferieren die Regionalzüge mit Fern- und Güterverkehr auf der Riedbahn, was zu Überholungen und Staus führt.
(An jenem 10. Februar staute sich der ICE hinter einem liegengebliebenem Güterzug an einem dann nur noch eingleisig befahrbaren Abschnitt – der ursprünglich geplante RE muss irgendwo dahinter ebenfalls im Stau gestanden haben.)
Schlusswort
Die Deutsche Bahn begann und die Deutsche Bahn AG betrieb das volkswirtschaftliche Optimieren des Schienennetzes
weiter, wobei Überholgleise, Gleiswechsel und Umleitungsstrecken als „zu teuer“ (und „volkswirtschaftliche nicht optimal“) abgebaut worden sind. Diese Redundanz und Resilienz des Schienennetzes fehlt jetzt im Ausnahmefall, was zu Verspätungen und Fahrtausfällen führt. Deren allgemeine Kosten für die Volkswirtschaft sind beim volkswirtschaftlich optimierten Netz
anscheinend nicht berücksichtigt worden …