Abstract
Ein des öfteren gelesener Satz auf Social-Media-Plattformen lautet: Social Media ist kaputt!
Viele Autoren fügen gedanklich oder tatsächlich noch ein mittlerweile
ein, entsprechend ihrer Wahrnehmung. Die These dieses Artikels ist hingegen, dass diese Autoren „Kaputtes“ nur stärker wahrnehmen, gerade wegen Social Media: Faves und Likes generieren Follower, die ungefragt interagieren.
Narzisstische Netzwerke
So genannte „soziale Netzwerke“ dienen in erster Linie
- dem gegenseitigen Austausch,
- dem Zurschaustellen der eigenen Person,
- sowie Beachtung/Relevanz/Reichweite.
Dabei möchte die absolute Mehrheit der Nutzer am liebsten Bestätigung finden, das heißt
- Recht haben,
- in einem guten Licht erscheinen/„gemocht werden“
- und von vielen Nutzern Aufmerksamkeit bekommen.
Alle diese Punkte sind klassischer Narzissmus. Die Währung „sozialer Netzwerke“ ist Reichweite, Faves, Likes und Follower – Aufmerksamkeit. Ein Teil der Nutzer sucht dies gezielt, andere Nutzer nicht, aber alle genießen es, wenn sie Aufmerksamkeit und Bestätigung erfahren. Wie bei jeder „Droge“, die das Belohnungssystem im Hirn triggert, tut dies auch die „Social-Media-Währung“ Aufmerksamkeit.
Narzisstische Kränkungen
Das Zurückweisen der oben genannten Punkte, also
- Widerspruch,
- Kritik
- oder Ignorieren
sind dann narzisstische Kränkungen bzw. „Angriffe“, die entsprechende Reaktionen provozieren können:
- Verteidigung
- Aggression
- Gegenangriff
- Allianzen schmieden und bekämpfen
- sowie weitere „Strategien“ …
Die Tatsache der Kränkung führt jedenfalls dazu, dass es in diesem Moment oftmals keinen (besonnenen – wenn überhaupt) Meinungsaustausch mehr gibt, die soziale Komponente also wegfällt.
Blockfinger
Wer (zum Teil wohl auch wirklich unbewusst) dauerhaft die soziale Komponente (endgültig) ausschließt, blockiert seinen „Angreifer“ gleich vollständig. Warum das auch antisozial und meist endgültig ist, wurde bereits vor einem Jahr beschrieben:
Auf der anderen Seite bieten soziale Netze oftmals eine Möglichkeit andere Nutzer zu blocken. Damit werden nicht nur unangemessenes Verhalten, sondern auch konträre Meinungen nach Bedarf ausgeblendet und verschwinden aus der eigenen „Filterblase“. […] Dazu kommt, dass kaum ein Nutzer von Zeit zu Zeit seine Blockliste einem Review unterzieht; wer einmal draußen ist, bleibt draußen. Und da ein Block weder begründet wird, noch danach jegliche Kommunikation darüber stattfinden kann, besteht keine Möglichkeit zur Aussprache. Damit werden Konfliktfähigkeit und Diskurs – zutiefst soziale Qualifikationen – „nicht mehr benötigt“ bzw. gefordert.
Eigentlich sollten Blocks daher kurz begründet werden und in der Regel zeitlich befristet sein. Ausnahmen von der Befristung könnten z. B. Belästigungen sein.
Unter Tausend Menschen ist ein Spinner
Diese (empirisch nicht überprüfte) Tatsache ist eine Schattenseite der „Droge Aufmerksamkeit“: Je „erfolgreicher“ man ist, je mehr Follower man hat, desto größer ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass sich darunter Spinner befinden. „Soziale Netze“ sind zwar ein verzerrter, aber sie sind ein Spiegel der Gesellschaft, mit allen Licht- und Schattenseiten; sie sind genau so sozial oder asozial wie ihre Nutzer. Im Vergleich zur Gesellschaft ist hier allerdings die Anzahl der Narzissten deutlich größer – es ist schließlich Social Media, wie oben beschrieben. Ebenso ist oben bereits beschrieben, wonach es Narzissten dürstet: Aufmerksamkeit, dementsprechend wird eher einer der „Follower“ dazwischengrätschen oder eine Antwort aus der Hölle (engl. reply from hell) schreiben.
Das ist alles nichts Neues, sondern reine „Küchenpsychologie“ basierend auf der Beobachtung des menschlichen Verhaltens erst auf Blogs, später dann auch bei Twitter, den Blick geschärft durch einen Vortrag über narzisstisch gestörte Wutbürger
. Oder mit anderen Worten: Social Media war schon immer kaputt.
Back to the Blogs?
In Anlehnung an das englische Sprichtwort back to the roots
könnte man in Bezug auf die Kommunikations- und Diskussionskultur im Internet tatsächlich ein „zurück zu den Blogs“ meinen. (Es gibt auch noch andere Gründe, die dafür sprechen – hier demnächst mehr.) Wodurch unterscheiden sich Blogs von „Social Media“?
- Es gibt keine Längenbeschränkung der Texte.
- Es gibt keine Favs oder Likes – weder für einen Artikel noch für einen Kommentar. Selbst Zustimmung muss formuliert werden.
- Man kann nicht mit nur einem Klick einen anderen Text weitergeben, sondern muss selbst einen Link anlegen, vielleicht sogar ein paar (eigene?!) Worte dazu schreiben.
- Reichweite misst sich nicht als Zahl an Followern, sondern an der inhaltlichen Bedeutung der Texte (und der Vernetzung des Autors).
Und das sind nur die ersten vier Punkte, die einem an einem Sonntag Mittag auf die Schnelle einfallen …