Abstract
Highlight jeder B-Seite sind die audio-visuellen Performances abends im Kubus des zeitraumexit. In diesem Jahr fanden an jedem der Festivaltage zwei Performances statt, jeweils um 20 Uhr und um 22 Uhr. Der Trend geht dabei weg von selbstgebauten „Instrumenten“ wie bei vorherigen B-Seiten (z. B. noch 2017) hin zu Sound-Generatoren und klassischen Musikinstrumenten.
Nah und Fern am Donnerstag [¶]
Das Programm am Donnerstag Abend lässt sich mit wenigen Worten beschreiben: bildgewaltig, fulminant, beeindruckend, Rock&Roll.
Dylan Cote & Pierre Lafanechère – Earthsatz
Auf Satellitenaufnahmen und Kartenmaterial der Erde kann man viele interessante Details entdecken, die durchaus zu (audio-) visuellen Ideen inspirieren können, wie der Moderator des Festivals, Benjamin Jantzen, zur Einleitung sagt. Dylan Cote und Pierre Lafanechère teilen diese Meinung, doch weil diese Bilddaten oftmals urheberrechtlich geschützt sind, müssen sie einen Umweg gehen um die Daten für ihre Performance Earthsatz verwenden zu können.
Sie erstellen im Computer eigene 3D-Modelle aus Screenshots von Google Earth, die dann künstlerisch für die Performance verwendet und live manipuliert werden. In Earthsatz sind dabei Bilder einiger Metropolen wie Paris, Marseille, Rio de Janeiro oder Mannheim zu sehen, mit denen die Künstler „spielen“.
Die gegen Ende der Performance dargestellte Perspektive auf die Bilder erinnert an Aufnahmen mit einem so genannten „Fischaugen-Objektiv“ – oder dem Blick auf die Landschaften im Hamburger Miniatur-Wunderland.
!YO – me beyside samuirai* – Das Auge hört mit
Die zweite Performance an diesem Tag ist von Jo Jacobs alias !YO und lässt sich am Besten mit dem Adjektiv »fulminant« beschreiben: Ausgerüstet mit Effektgerät(en), Loop Station, E-Gitarre, Keyboard, Mikrofon und möglicherweise noch mehr Instrumenten legt er ein Konzert elektronischer Musik hin, während gleichzeitig in der Projektion Joseph Beys verkündet, Every artist could be human.
Und während man Beys sieht und hört – abwechselnd mit vielen anderen eindrucksvollen Bildern, fallen die Papierblätter rechts der Bühne auf, die im Dunkeln wie hängende Quader aussehen und mit einem Diaprojektor angestrahlt werden.
Nicht nur „das Auge hört mit“, sondern auch „die Ohren sehen mit“. Und man möchte am Liebsten die Bühne zur Tanzfläche umfunktionieren, damit der Körper mitspüren kann.
Der ernste Freitag [¶]
Das Programm am Freitag Abend beschäftigt sich mit ernsten Themen und bot die ruhigste Performance der B-Seite.
A-li-ce – The Last Island (at the very end of the Earth)
Die Performance The Last Island (at the very end of the Earth) von A-li-ce behandelt mit Bildern, die visuell weiterentwickelt werden, und zum Teil im Dialog vorgetragenen Texten aktuelle Themen wie Umweltverschmutzung oder Flüchtlingsbewegungen. Beides hat viel mit dem Meer und den Küsten zu tun, wo es anlandet. Meeresrauschen und Bilder der Brandung sind daher zentrale Eindrücke, mit denen die Künstlerin den Spannungsbogen ihrer Performance langsam aufbaut. Das Publikum folgt diesem Spannungsbogen, lässt sich inspirieren, reflektiert die audio-visuellen Eindrücke und kann zu eigenen Schlüssen kommen; wie A-li-ce im anschließenden Gespräch mitteilt, ist das eines der Ziele ihres Werks, es ist bewusst offen und anregend gestaltet.
Lea Brugnoli meets Niklas Blumenthaler – WorkInProgress
WorkInProgress wurde als ruhigste Performance der B-Seite
angekündigt und war tatsächlich eher ungewöhnlich für das Festivals: die Kollaboration des Pianisten Niklas Blumenthaler mit der VJ Lea Brugnoli. Ihre Performance kann man sich dabei als „audio-visuelles Klavierkonzert“ vorstellen, bestehend aus mehreren Sätzen. Das Publikum im Kubus hat die Satzpausen größtenteils allerdings nicht erkannt und nach jedem vermeintlichen „Stück“ applaudiert. Die Künstler nahmen es gelassen und spielten ein sehr schönes Werk.
Während der Performance konnte man ab und zu sehen, wie beide miteinander mit Blicken kommunizierten, bevor neue Themen gespielt oder visualisiert wurden. Vermutlich wurde die Performance zum Teil improvisiert und Ton- und Videospur haben sich gegenseitig inspiriert. Insofern passt diese Performance wunderbar zu einer B-Seite.
Audio-Visuell klassisch und in neuer Form [¶]
Lola & Yukao Meet – Völuspá
Das Setup dieser Performance unterschied sich komplett von dem der anderen: Die Projektionsfläche ist kreisrund am Boden, das Publikum sitzt zum Teil im Kreis darum, von der Tribüne schaut man von oben zu. Am Rand davon stehen die beiden Künstler Lola & Yukao und spielen Musik bzw. generieren Visuals auf die Leinwand. Im Verlauf der Performance werden diese Visuals noch erweitert mit Zeichnungen von einem Grafiktablett – und zum Höhepunkt wird auf der so projizierten Leinwand auch noch mit Farbe gemalt sowie anschließend mit einem Messer zerschnitten. Das ist »multimedial« konsequent weitergedacht.
Timo Dufner & Michael Fiedler
Timo Dufner & Michael Fiedler haben das Finale der B-Seite 2021 mit einer ausführlichen Performance gestaltet: Über ungefähr 1:10 Stunden wabern Klangkompositionen mit den passenden Visuals durch den Kubus des zeitraumexit in durchaus bekannter Art und Weise, aber dafür nicht weniger schön anzuhören und -sehen – eine „klassische audio-visuelle Performance einer B-Seite“.